Rezension | Barracoon von Zora Neale Hurston
Titel: Barracoon – Die Geschichte des letzten amerikanischen Sklaven | Originaltitel: Barracoon. The Story of the Last „Black Cargo“ | Autor: Zora Neal Hurston | Übersetzer: Hans-Ulrich Möhring | Verlag: Penguin | Erscheinungsdatum: 24.02.2020 | Seitenzahl: 224
„Barracoon“ ist der einmalige Zeitzeugenbericht des letzten Überlebenden des Sklavenhandels, der 2018 in den USA erstveröffentlicht wurde und dort wegen seiner berührenden, ungeschminkten Erzählung und authentischen Sprache Aufsehen erregte und zum Bestseller wurde. „Barracoon“ erzählt die wahre Geschichte von Oluale Kossola, auch Cudjo Lewis genannt, der 1860 auf dem letzten Sklavenschiff nach Nordamerika verschleppt wurde. Die große afroamerikanische Autorin Zora Neale Hurston befragte 1927 den damals 86-Jährigen über sein Leben: seine Jugend im heutigen Benin, die Gefangennahme und Unterbringung in den sogenannten „Barracoons“, den Baracken, in die zu verkaufende Sklaven eingesperrt wurden, über seine Zeit als Sklave in Alabama, seine Freilassung und seine anschließende Suche nach den eigenen Wurzeln und einer Identität in den rassistisch geprägten USA.
Vielen Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars!
Durch das aktuelle Geschehen haben auch einige deutschsprachige Verlage bestimmte Werke beworben, um für mehr Verständnis und Aufklärung zu sorgen – genau dadurch bin ich auf dieses Buch gestoßen.
Keine leichte Kost
Dass es sich hierbei um keine leichte Lektüre handelt, sollte niemanden überraschen. Doch es ist nicht nur der Inhalt, das Leben von Oluale Kossola, das tief beeindruckend ist und bewegt. Es ist auch der Aufbau vom Buch selbst, der einen sofort spüren lässt, dass man hier etwas wirklich Wichtiges in den Händen hält. In diesem Buch treffen nämlich viele beeindruckende Stimmen aufeinander, zum einen und vorneweg natürlich Oluale Kossola, dann die Herausgeberin Deborah G.Plant, die dem Betroffenen immer wieder zugeredet und das ganze Werk nicht nur unterstützt, sondern später auch noch kommentiert hat und natürlich Zora Neale Hurston, die die Interviews geführt und zusammengetargen hat.
Es ist keine typische Biographie und das soll es wahrscheinlich auch gar nicht sein. Es ist vielmehr eine Ansammlung von Erinnerungen, Eindrücken und Emotionen, die Oluale Kossola in seinem Leben gemacht hat und die ihn geprägt haben. Das Ganze sorgt dafür, dass man teils einen neuen Blickwinkel erhält, sich in Situationen wiederfindet, die man sich vorher nicht hätte vorstellen können und die einen tief berühren und noch lange Zeit in einem nachklingen.
(Oluale Kossola hat in Amerika den Namen Cudjo Lewis erhalten. Da er aber auch in dem Interview mit Zora Neale Hurston es eigentlich vorzieht bei seinem afrikanischen Namen genannt zu werden, mache ich das in diesem Beitrag auch.)
Wie ein Sturm
Natürlich werden in diesem Buch viele grauenhafte Faktoren und Ereignisse genannt, im Großen und Ganzen beschäftigt es sich aber mit Oluale Kossolas Leben von Anfang bis Ende – wodurch natürlich auch die Zeit danach eine große Rolle spielt. Auch hier musste der Mensch mehr durchstehen, als es irgendjemand sollte und mir ist wirklich das Herz gebrochen. Dass das Alles aber irgendwo teilweise zusammenhängt wird gar nicht unmittelbar im Text genannt, sondern ist eine Erkenntnis, die nach dem Lesen immer wieder durchsickert.
Dadurch kann es durchaus sein, dass man beim Lesen im ersten Moment eine andere Wirkung wahrnimmt, als die, die sich später einschleicht, was ich absolut bemerkenswert und faszinierend finde. So wird dem Leser nicht nur die Möglichkeit geboten Einblick in eine Geschichte aus einer so furchtbaren und grausamen Zeit zu bekommen, um besser zu verstehen und zu lernen, sondern man merkt auch einen bestimmten Prozess bei sich selbst, der lange anhält.
Ein wirklich beeindruckendes Buch, das mich beim Lesen selbst schon sprachlos zurückgelassen hat, aber auch jetzt nach einer Weile keinesfalls an Wirkung verloren hat.
Barracoon – Die Geschichte des letzten amerikanischen Sklaven bietet einen Zeitzeugenbericht, den es so nicht mehr geben wird. Es ist ein beeindruckendes und wichtiges Gesamtwerk, das noch lange nachklingt, gerade auch weil die Thematik nicht leicht zu verarbeiten ist und viele Denkanstöße in Gang bringt.
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