Rezension | Das Reich der Vampire von Jay Kristoff
Titel: Das Reich der Vampire | Originaltitel: Empire of the Vampire | Autor*in: Jay Kristoff | Übersetzer*in: Kirsten Borchardt | Illustrator*in: Bon Orthwick | Verlag: Fischer TOR | Erscheinungsdatum: 29.06.2022 | Seitenzahl: 1024
Vor 27 Jahren ging die Sonne unter – und seitdem sind die Armeen der Vampire auf dem Vormarsch. Stück für Stück haben sie ihr ewiges Reich ausgedehnt und den Menschen den Boden streitig gemacht, bis nur noch an wenigen Orten ein unbeschwertes Leben möglich ist. Kleine Inseln des Lichts in einem Meer aus ewiger Finsternis.
Als der junge Gabriel de León sein Heimatdorf verlassen muss, führt ihn sein Weg nach San Michon, zum Orden der Silberwächter, einer heiligen Bruderschaft, die das Reich und die Kirche gegen den Ansturm der Bestien verteidigt. Und noch ahnt er nicht, dass er zur größten Legende des Ordens werden wird – und zur letzten Hoffnung einer sterbenden Welt.
Vielen Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars!
Ja, ich bin ganz ehrlich – bei diesem hübschen Schinken handelt es sich um eines der Bücher, die ich am sehnsüchtigsten erwartet hatte, zeitgleich aber auch ein wenig skeptisch war.
Interview mit einem Vampir – Vibe
Na, wer kennt sie noch, die klassische Vampir Geschichte von Anne Rice. Ich persönlich zwar nur die Verfilmung, aber das reicht auch schon vollkommen aus, um den Vibe zu erkennen. Denn auch, wenn Jay Kristoff, wie nicht anders zu erwarten, hier eine modern-epische Story für seine Leser*innen am Start hat, sind es doch auch die ein oder anderen klassischen Elemente, die sie auszeichnen.
Nur halt eben, härt. Brutaler, blutiger, düsterer und definitiv mit einer Sprache, bei der einem die Ohren schlackern. Fans von Nevernight werden hier stiltechnisch auf jeden Fall auf ihre Kosten kommen, denn hier findet man genau diese Art wieder. Inhaltlich bin ich mehr so der Assasine-Schattenwesen-Typ, wodurch seine andere Reihe für mich unschlagbar ist, doch für eine Vampirgeschichte? Hut ab!
Gabriel de Leon, der wohl letzte Silberwächter im Kerker und ihm gegenüber der Vampir und Chronist Jean-Francois Chastain. Definitiv eine außergewöhnliche Tischplatzierung, aber es ist auch nicht so, dass die beiden groß eine Wahl hätten. Gabriel ist am Ende seiner Kräfte und in Gefangenschaft geraten, der junge Chastain trägt nun die Aufgabe, das Leben der Legende auf Papier zu bringen und für die Nachwelt festzuhalten. So entsteht nicht nur immer wieder ein interessanter Austausch zwischen den beiden, der sich durch das ganze Buch zieht und auch hier und dort mal Fragen aufwirft, sondern auch die Möglichkeit, eine Reise in der Vergangenheit zu starten und mehr von dieser düsteren und unbarmherzigen Welt zu erfahren…
Aufstieg & Fall
Nachdem vor einigen Jahren das Sonnenlicht verschwunden ist, haben sich die Vampire erhoben. Es gibt wohl auch noch so einige andere Gestalten, die ihr Unwesen treiben, doch die werden hier höchstens am Rande erwähnt – die Bedrohung ist also klar fokussiert. Doch wer und wie kann dagegen vorgehen? Dafür gibt es den Silversaint Orden, der aus…sagen wir mal ganz besonderen Mitgliedern besteht. Denn, auch wenn es verpönt ist, kommt es immer mal wieder vor, dass männliche Vampire menschliche Frauen schwängern und dadurch quasi Mischblüter entstehen. Diese nehmen etwas vom sogenannten Fluch aber auch die Stärken ihrer Erzeuger auf – mehr dazu müsst ihr aber selbst herausfinden.
Genau so jemand ist eben auch Gabriel, vielleicht nicht mehr als die anderen Anwärter und Wächter gestraft (natürlich ein männlicher Verein, was soll der Geiz*), doch die Geschichte ist schon tragisch.
Dies erfährt man als Leser*in in einem Wechsel der unterschiedlichen Lebensabschnitte, denn Gabriel erzählt seine Geschichte eben in seinem Tempo und seinem Stil – da kann es schon mal passieren, dass wenn es gerade sehr heiß hergeht oder emotional wird, dass wir zu einen anderen Zeitpunkt vor oder zurückspringen. Mir ist es immer richtig schwergefallen, mich von dem aktuellen Erzählstrang loszureißen, doch alle Erzählungen sind wahnsinnig spannend.
Zwischen dem jungen Anwärter und dem gebrochenen Krieger liegt einfach so viel und der Wechsel in den Zeiten zeigt auf, dass das Schlimmste zum Schluss kommt und ich war einfach nur hin und hergerissen, ob ich es wirklich wissen will oder nicht.
*Kommen wir zu meiner kleinen spitzen Bemerkung und wohl auch so einiger Kritik, die der Autor hier geerntet hat. Ich persönlich fand es eigentlich gut, wie mit so manchen Vorurteilen und Klischees gearbeitet wurde, um diese dann zu durchbrechen und auch in Frage zu stellen. Es ist nicht nur der Unterschied zwischen Frau und Mann, sondern auch die sexuelle Orientierung und vor allem das Thema Religion (angelehnt an den Katholizismus) was hier sehr angeprangert wird. Ebenso möchte ich aber auch keinesfalls betroffene Stimmen kleinreden – wenn hier Kritik an dem Autor angebracht wird, dann wird das schon seinen Grund haben. Ich persönlich habe einfach das Privileg, die Geschichte genießen zu können.
So viele Wörter stehen zur Verfügung und dennoch fällt es mir unglaublich schwer, diese atmosphärische Geschichte zu beurteilen, ohne zu spoilern. Gewiss ist jedoch, dass man mit einem extrem herben Sprachstil auskommen muss. Es wird ohne Ende geflucht (manchmal war es vielleicht sogar mir ein wenig zu drüber, aber meistens unterhaltsam), es ist stellenweise einfach brutal und traurig (und sehr blutig), denn Jay Kristoff macht auch bei seinen Charakteren keinen Halt. Für manche Entwicklungen muss man sich auch sehr tragischen Ausgängen wappnen…
Doch auch meine kleinen Kritikpunkte verblassen im Gesamteindruck. Denn die Geschichte kann, und wie. Episch, düster, atmosphärisch – einfach einnehmend. Die grandiosen Illustrationen von Bon Orthwick setzen dem Ganzen noch die Krone auf. Wenn ich sie auch teilweise für so manch „ganz harten Machokerle“ fast zu weich und zierlich gezeichnet fand. Doch die Darstellungen an sich geben so einiges her. Das plus die hohe Seitenanzahl rechtfertigen auf jeden Fall den Preis.
Kurzum: ihr seid ein Fan von Jay Kristoff? Düsteren Vampire-Stories? Ran da!
Genauso düster und episch wie erhofft – Das Reich der Vampire trifft zwar inhaltlich nicht ganz so meine Vorlieben wie Nevernight, doch beweist sich mit dem bekannten Stil des Autors und bietet jede Menge blutige Unterhaltung und sprachliche Ausfälle, denen man schon gewachsen sein muss. Sicherlich nicht für jede*n was, doch definitiv etwas Besonderes. Nicht zuletzt auch wegen den Illustrationen von Bon Orthwick, die ein absoluter Blickfang und eine enorme Bereicherung sind. Ein Gesamtpaket, das mich wirklich begeistern konnte!
KAUFEN!
AUCH REZENSIERT VON: Emkeyseven Books | Claudias Bücherhöhle | Buchstapelweise
11 comments found