Rezension | Die dunkelste Vorstellung von Ella Smoke
Titel: Die dunkelste Vorstellung | Autor*in: Ella Smoke | Verlag: Ohneohren | Erscheinungsdatum: 07.08.2023 | Seitenzahl: 220
Ein Zirkus.
Schatten.
Und etwas Hoffnung.
Ein Wanderzirkus gastiert in London. Weder drehen Tiere hier ihre Runden im Scheinwerferlicht, noch sind es Clowns, die das Publikum unterhalten. Es sind Menschen, die als Freaks bezeichnet werden – Gefangene einer finsteren Show.
Grace verliert alles. Ihr Zuhause, geliebte Menschen und ihre Hoffnung in die Zukunft. Wegen ihrer kleinen Größe ist sie ihrem machtgierigen Onkel ein Dorn im Auge. Und ehe sie sich versieht, findet sie sich mitten in Direktor Lambs Show wieder, als Attraktion. Ihre Erinnerungen an schönere Zeiten, wie ihr treues mechanisches Hündchen Klick-Luck, sind alles, was ihr noch bleibt. Sie gibt nicht auf und plant ihre Flucht.
Welche Geheimnisse warten im Schatten des Zeltes? Ein Gang aus Spiegeln, groteske Auftritte, Zeltwände, die zu flüstern scheinen. Was ist echt, was ist Illusion und kann sie dem ungezügelten Hass der Menge entkommen?
Aber eines ist klar, ihr erster Auftritt steht kurz bevor.
Düster. Beklemmend, bewusst unbequem und magisch.
Vielen Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars!
Ich habe mich so gefreut als die Anfrage vom Verlag kam – denn das Buch klang mehr als nur vielversprechend!
Steampunk-London schon durch?
Obwohl ich das Genre eigentlich echt gerne mag, lese ich gar nicht so viel in dem Bereich. Aber wenn ich etwas lese, spielt es immer in London und kommt mit den klassischen Elementen oft in die Richtung „alles schon einmal gesehen“. Interessant fand ich hier die Genrebezeichnung „Dreadpunk“ – kannte ich einfach noch nicht – doch der Horror Touch hat mich dann auch gleich wieder neugieriger gemacht und dieses schon vorweg: Ella Smoke bringt natürlich ein paar Klassiker mit rein, die einfach für den typischen Vibe des Genres sorgen, erzählt ansonsten aber eine neue und vor allem auch wichtige Story, die sich definitiv abhebt.
Die junge Grace ist nicht nur Waise auch ihr Onkel, bei dem sie nun untergekommen hat bietet ihr nicht das familiäre Umfeld, das sie verdient hat und braucht. Ihren Traum sich an der Uni einschreiben zu lassen zerpflückt er schneller als man gucken kann und ihr einziger Trost bleibt ihr kleiner mechanische Hund Klick-Luck – man Leute, mit so etwas bekommt man mich ja immer. (Was das angeht super Softie.)
Da er seine Nichte aber auch prinzipiell mehr als Last sieht, kommt ihm ein Ausweg ganz gelegen und er verkauft sie an einen Wanderzirkus – wieso? Direktor Lamb sammelt, in seinen Augen, Kuriositäten. Menschen mit Behinderungen und allgemein jene, die nicht der Norm, dem gesellschaftlichen „normalen“ Bild entsprechen und somit kommen wir zum großen Thema.
Sensibilisierung
„Die dunkelste Vorstellung“ beschäftigt sich vor allem viel mit den Themen Ableismus und Diskriminierung, die Ella Smoke als Own Voice Autorin sehr sensibilisiert angeht und dadurch auch bei ihren Leser*innen einiges zum nachdenken, überdenken und reflektieren bewegt. Grace war ihrem Onkel bereits durch ihre kleine Größe ein Dorn im Auge, so wird sie hier als passend angesehen.
Dass die Teilnehmenden dieses Wanderzirkus keine Clowns und in Käfige gesperrte Tiere sind, wird schnell klar – es sind Menschen. Von der Gesellschaft und allen voran Lamb als Freaks gesehen.
Die Eindringlichkeit, die die Autorin hier an den tag gelegt hat, hat mich sehr berührt und bewegt.
Alles in allem ist die Geschichte auf jeden Fall eher düster gehalten – Grace hat ihr Leben lang Schicksalsschläge aushalten müssen, was auch in einigen Rückblenden immer wieder erzählt wird. Entmenschlichung, Grausamkeiten und Gewalt kehren in der Story immer wieder, das Horrormaß fand ich aber immer noch überschaubar und könnte mir vorstellen, dass es auch für jene etwas ist, die dem Genre ansonsten eher aus dem Weg gehen. Mit interessanten und nicht vorhersehbaren Wendungen schafft es Ella Smoke ihre Leser*innen einzunehmen und bei der Stange zu halten, so liest sich das Buchs chnell in einem Rutsch weg. Lediglich Grace selbst, bzw. ihr Charakter hätte in meinen Augen noch ein paar Ecken und Kanten haben können. So waren die Charaktere generell eher in in den bekannten Mustern gut und böse gehalten – was ich persönlich manchmal ein bisschen fad finde, für das Gesamtergebnis aber definitiv darüber hinwegsehen kann.
Mit dieser Geschichte konnte mich Ella Smoke auf jeden Fall überraschen und auch ziemlich mitreißen – als Own Voice Autorin greift sie Themen wie Ableismus und Diskriminierung auf und setzt sie in das Setting vom Steampunk London, mitten in einen Wanderzirkus. Trotz kleiner Kritikpunkte, eine Geschichte die mich sehr bewegt hat und mir noch eine Weile im Kopf bleiben wird.
KAUFEN!
AUCH REZENSIERT VON: Reading is my way to dream
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