Rezension | Frankenstein
Titel: Frankenstein | Autor*in: Mary Shelley & Georges Bess | Illustrator*in: Georges Bess | Übersetzer*in: Harald Sachse | Verlag: Splitter Verlag | Erscheinungsdatum: 22.06.2022 | Seitenzahl: 208
Sie revolutionierte den englischen Schauerroman, sie schuf einen zeitlosen Klassiker, der bis heute zahllose Bearbeitungen und Adaptionen inspirierte, und sie legte den Grundstein für das komplette Genre der Science Fiction: Mary Shelley und ihr Roman »Frankenstein« können in ihrer literarischen Bedeutung kaum überschätzt werden. Es ist die Geschichte eines Wissenschaftlers, der in narzisstischem Wahn ein Wesen aus Leichenteilen erschafft, ihm Leben einhaucht und dieses gotteslästerliche »Monstrum« auf die Welt loslässt. Aber es ist auch die Geschichte eines Missverstandenen, einer Kreatur ohne Platz im Leben, die nach Liebe und Verbundenheit strebt, aber nur Hass und Ablehnung findet.
Nach seiner imposanten Adaption von Bram Stokers »Dracula« widmet sich Comic-Virtuose Georges Bess nun »Frankenstein«. In Tuschezeichnungen, die kraftvoll und elegant zugleich die wilde Romantik ihrer literarischen Vorlage heraufbeschwören, erschafft Bess ein düsteres Werk von künstlerischer Exzellenz.
Vielen lieben Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars.
Nachdem mich die Umsetzung zu Dracula von George Bess schon so begeistert hat, konnte ich mir Frankenstein unmöglich entgehen lassen!
Ein zeitloser Klassiker
An dieser Stelle müsste ich jetzt für gewöhnlich eingestehen, dass ich die Romanvorlage nicht gelesen habe, doch in diesem Fall kann ich das tatsächlich mal auslassen. Es ist zwar schon einige Jahre her, doch damals hat es mich schon brennend interessiert. Außerdem fand ich es immer sehr interessant, dass es hier auch mal eine Frau geschafft hat, sich in der Männerdomäne vorzukämpfen und das gerade mal mit 19 Jahren. Aber selbst wenn man das Buch nicht kennt oder gerade auch dann, kann ich euch diese Comic Adaption nur wärmstens ans Herz legen!
George Bess ist wie gemacht für diese Art der Atmosphäre – bereits bei Dracula konnte ich mich schon total im Artwork verlieren und auch hier schafft er es hervorragend die Stimmung einzufangen und der Geschichte neues Leben einzuhauchen. Teils zart und sehr bedacht und im nächsten Moment voller Brutalität und Unbarmherzigkeit – was nun mal auch genau die Grundstimmung der Geschichte widerspiegelt.
Originalgetreu, doch mit individuellem Fokus
Wer „nur“ zu dieser Comicadaption greift, dem geht keinesfalls etwas der Geschichte verloren, denn auch wenn George Bess hier seine persönliche Note und teilweise einen individuellen Fokus reinlegt, so ist es die Originalstory von Mary Shelly, die hier nicht nur erzählt, sondern auch zelebriert wird. Der Wissenschaftler Victor Frankenstein wagt das Unvorstellbare – aus Leichenteilen baut er ein menschliches Wesen nach, das dann durch einen Blitzschlag zum Leben erweckt wird. Das Ergebnis erschreckt ihn allerdings so sehr, dass er zunächst die Flucht sucht. Alleingelassen versucht diese Kreatur nun seinen Platz im Leben zu finden und zieht gerade auch durch teils kindliche und sehr empathische Züge die Sympathie auf sich.
Wohl wenig überraschend, dass die Bevölkerung weniger wohlwollend darauf reagiert, wer kennt sie nicht, die Szene mit Mitgabeln & Co. Trotz der Unschuld der Kreatur wird sie gejagt und gepeinigt, einsam und unverstanden wendet es sich nun gegen seinen Schöpfer.
Tatsächlich bietet die Geschichte weniger gruselige Momente, als ich es vorerst noch im Kopf hatte. Zumindest nicht die typischen Horrorelemente, viel mehr ist es diese tiefe Tragik, die mit dem Verhalten der Menschen einhergeht. Die Brutalität, Unbarmherzigkeit und Ungerechtigkeit. Vom Menschen erschaffen und von Menschen zum Monster gemacht – oder wie war das?
Obwohl auch genau das schon von Mary Shelley thematisiert wurde, schafft es George Bess hier auch nochmal einen gesonderten Fokus draufzulegen und liefert ein Gesamtpaket, das einem das Herz im Wechsel aufgehen und sich zusammenziehen lässt.
Bereits mit der Comicadaption zu Dracula konnte mich George Bess begeistern, doch mit Mary Shelleys Frankenstein hat der Künstler mein Herz erobert. Ein einzigartiges Artwork, das wie für diese Atosphäre gemacht ist und nicht hätte besser umgesetzt werden können. Voller Tragik und Schmerz – ein einmaliges Leseerlebnis, das ich sowohl Kenner*innen des Originals wie auch Neulingen empfehlen kann.
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