Rezension | Frankenstein von Junji Ito
Titel: Frankenstein – Storys zwischen Wahn & Wirklichkeit | Autor*in: Junji Ito | Übersetzer*in: Jens Ossa | Illustrator*in: Ashley Marie Witter | Verlag: Carlsen | Erscheinungsdatum: 28.02.2023 | Seitenzahl: 418 | Altersempfehlung: ab 16
Mary Shelley goes Manga!
Kaum ein Titel steht derart für den ultimativen Horrorroman wie Mary Shelleys »Frankenstein« aus dem Jahr 1818. In dem Klassiker der Weltliteratur wird die Geschichte eines jungen Wissenschaftlers erzählt, der künstlich ein Wesen erschafft, das durch die Grausamkeit und Ignoranz seiner Umwelt erst zu dem Monster wird, für das ihn alle halten. Durch den Versuch, sich der Verantwortung für sein Handeln zu entziehen, macht sich der Schöpfer schuldig und wird zum »modernen Prometheus«.
Junji Ito, Meister des Horrormanga, hat den Weltbestseller in feinster Gruselmanier adaptiert − Pflichtlektüre für Fans schauerlicher Lektüre!
Vielen lieben Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars.
Ich bin nicht nur generelll auf ein neues Werk von Junji Ito neugierig geworden, sondern vor allem auch hellhörig wegen einer Adaption von Mary Shelleys Frankenstein!
Überraschender Einstieg
Wenn ich erst einmal angefixt bin, lasse ich mich danach ja gerne überraschen und so war mir nicht bewusst, dass es sich bei dieser Hardcover Ausgabe nicht nur um eine Adaption vom Klassiker Frankenstein handelt, sondern es auch noch einige andere Storys gibt. So macht der Schüler Oshikiri hier den großen Einstieg aus. Fernab von Frankenstein, aber doch definitiv nicht unpassend. Mehrere kurze Storys verdeutlichen noch einmal mehr, wieso der Horror-Mangaka auf diesem Gebiet so geschätzt ist. Zwischen skurril, haarsträubend und echt gruselig fängt es damit an, dass Oshikiri zuerst seinen Freund ermordet, diesen dann ausbuddelt und mit einem unglaublich langen Hals entdeckt. So trifft der Untertitel hier wirklich in aller Deutlichkeit: zwischen Wahn und Wirklichkeit.
Ich persönlich mag diese Art echt gerne, auch wenn ich mir zuerst unsicher war, weil die Vorfreude auf…naja, Frankenstein eben sehr groß war. Doch die Parallelen sind gar nicht so gering, denn auch Oshikiri leidet unter seiner Einsamkeit, die hier als Wurzel der Probleme auftaucht. Was kann das aus einem Menschen machen? Gerade wenn man jung ist und vielleicht doch noch Unterstützung und eine leitende Hand braucht? Definitiv ziemlich abgefahren, aber unfassbar gut!
Mit knapp 180 Seiten fällt der Titelträger dann eher kurz aus, doch auch hier weiß Autor & Künstler Junji Ito wieder zu überzeugen.
Portionsweise oder weggesuchtet
Auch, wenn ich Mary Shelleys Original einmalig finde, muss ich doch auch hier meinen Hut ziehen. Die düstere Atmosphäre ist definitiv gegeben und der Schrecken nimmt seinen Lauf. Dabei wird auf der einen Seite viel vom Original beibehalten, aber eben auch eine sehr starke individuelle Note vergeben, was sicherlich schon eine Kunst für sich ist. Auch hier wird immer mal wieder beleuchtet, was das „Monster“ durchleiden musste und was es ausmacht, doch die Schrecken, die es verbreitet erschienen mir doch noch grausamer und willkürlicher. Nichtsdestotrotz hat mir die Kurzgeschichte richtig gut gefallen, gerade auch, weil sie auch ein tolles Gesamtbild für jene bietet, die die Vorlage vielleicht noch nicht so kennen.
Und auch danach gibt es noch ein paar kleine „Ausreißer“.
„Das Begräbnis der Höllenpuppen“ beschäftigt sich mit einer Erkrankung, die Kinder auf der ganzen Welt befällt und dafür sorgt, dass diese nicht nur immer puppenähnlicher werden, sondern sich die Eltern auch frühzeitig von ihrem Nachwuchs trennen müssen. In diesem Fall wird dann allerdings aufgezeigt was passiert, wenn man sich doch nicht vom Kind trennen kann…
Mit „Das fixierte Gesicht“ wird in meinen Augen schon die perfekte Vorlage für einen Horrorfilm geliefert. Eine junge Frau muss zu einer ärztlichen Untersuchung die erfordert, dass sie in ein Gerät muss, dass ihr Gesicht einspannt und dann wird sie einfach vergessen. So kann man auch neue Ängste schaffen, haha.
Beide Storys sind eher kurz gehalten, haben es dafür aber wirklich in sich.
Und zum auflockernden Abschluss gab es noch zwei etwas persönlichere Einblicke in die Familie Ito und den Familienhund Nonnon. Überraschend im Kontrast, aber auch hier war ich echt mit dabei.
Egal, ob man sich portionsweise durch dieses Werk liest oder es gar nicht mehr aus der Hand legen will (bei mir war es Letzteres) – beides bietet sich an und ich bin mir sicher, dass niemand enttäuscht wird.
Die Frankenstein Adaption macht tatsächlich nur einen Teil dieses Gesamtwerkes aus, doch Junji Ito überzeugt mal wieder mit all seinen skurrilen Ideen und bietet hervorragende Unterhaltung, die tief unter die Haut geht. Nichts für schwache Nerven und sicherlich auch nicht für jeden Geschmack, aber Fans werden sicherlich auf ihre Kosten kommen – bei mir war das definitiv der Fall!
KAUFEN!
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