Rezension | One Of The Good Ones von Maritza & Maika Moulite

Rezension | One Of The Good Ones von Maritza & Maika Moulite

Titel: One Of The Good Ones | Autor*in: Maritza Moulite & Maika Moulite | Übersetzer*in: Silvia Kinkel & Constanze Wehnes | Verlag: Loewe | Erscheinungsdatum: 17.11.2021 | Seitenzahl: 416 | Altersempfehlung: ab 14

„Sie war doch eine von den Guten“

Ausgerechnet Kezi! Happis große, hübsche, starke und kluge Schwester ist tot. Kezi hatte sich aktiv auf ihrem Youtube-Kanal für die Rechte Schwarzer Menschen eingesetzt. Und nun wurde sie selbst ein Opfer von Polizeigewalt nach einer Demonstration.
Voller Trauer begibt sich Happi zusammen mit Freunden auf eine Reise, die noch von Kezi geplant worden ist. Quer durch die USA folgen sie dem Green Book, einem Reiseführer, der Schwarzen Reisenden während der Zeit der Rassentrennung angab, wo sie unbehelligt tanken, essen oder übernachten konnten.
Kezi war eine „von den Guten“, sagen die Leute. Aber ist ihr Tod deshalb besonders tragisch? Und was heißt das überhaupt?

One of The Good Ones ist ein spannender Roadtrip durch das alte und neue Amerika und bricht auf unerwartete Weise mit allen unseren Erwartungen.

Eine aufregende Reise durch die jüngere Geschichte der USA aus der Perspektive der afroamerikanischen Minderheit und ein begeisterndes Plädoyer für das Empowerment Schwarzer Menschen.

Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Ich habe mich so gefreut, als ich diesen Titel in der Programmvorschau vom Verlag entdeckt habe und umso mehr, als ich es dann auch in den Händen halten durfte!

Eine*r von den den Guten

#BLM ist kein Trend oder Geschichte, sondern leider die traurige und aktuelle Wahrheit.
Umso wichtiger ist es, dass genau solche Geschichten mehr Aufmerksamkeit bekommen. Dass wir alle unter rassistischen Vorurteilen aufgewachsen sind und uns in diesen Strukturen bewegen ist Fakt – nun heißt es genau diese zu erkennen und zu durchbrechen.
In One Of The Good Ones wird ein wichtiger Punkt hervorgehoben, als Happis ältere Schwester Kezi Opfer von Polizeigewalt wird, kommen immer wieder Gedanken auf, wie „sie war doch so schlau“, „so engagiert“ oder „aus ihr wäre etwas ganz großes geworden“ – als wenn nur diese Faktoren die Trauer und die Ungerechtigkeit berechtigen würden. Als wenn ein Tütchen Gras oder eine Vorstrafe dafür sorgen würden, dass die rassistische Polizeigewalt berechtigt und entschuldbar wäre.
Doch genauso findet es in unseren Köpfen statt. Und genau das ist der Fehler.

Ich weiß, eigentlich sollte es reichen, ein Mensch auf dieser Erde zu sein, um Respekt und Gerechtigkeit zu erfahren. Aber leider sieht die Wahrheit anders aus. Wir konzentrieren uns nur auf diejenigen, die wir für würdig erachten. Und wenn einer dieser Auserwählten geht, gestehen wir uns einen Moment der Trauer zu.
Beweinen das vertane Potenzial, die großen Erwartungen, die unerfüllt bleiben, während andere Menschen einfach aus unserem Bewusstsein gelöscht werden.
Aber wir sind mehr als die Guten.
Wir sind die Schlechten.
Wir sind die Mittelmäßigen.
Wir sind die Großartigen.
Wir sind die, über die es nichts zu erzählen gibt.
Wir sind die Wundervollen.
Wir…sind einfach.

„One Of The Good Ones“ von Maika & Maritza Moulite

So wird die Geschichte aus vielen unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Von Kezi vor der Verhaftung, von Happi – davor und danach – von einem anderen jungen schwarzen Mädchen, wo man noch versucht den Zusammenhang zu greifen. Und aus der Vergangenheit und vielen traurigen und wichtigen Ereignissen, die uns mehr oder weniger genau an diesen Punkt geführt haben.
Wo Kezi sich für die Rechte von Schwarzen engagiert und überlegt hat, wo ihre Stimme am meisten gehört wird, hat sich Happi mit ganz anderen Dingen beschäftigt, wie zum Beispiel ihrer Schauspielerei. Und auch genau hier ist es wichtig zu erkennen, dass man darüber nicht werten darf. Kein PoC ist verpflichtet andere Menschen aufzuklaren und sich jeden Tag mit diesen Themen auseinanderzusetzen, auch wenn diese Kraft natürlich von unschätzbarem Wert ist. Doch es macht niemanden besser oder schlechter. So haben sich die beiden Schwestern in letzter Zeit eher auseinandergelebt, die älteste der drei Schwestern Genny lebt schon nicht mehr Zuhause und so hat Happi auch hier das Gefühl nirgends jemanden zu haben. Die Distanz macht die Trauer nicht leichter, im Gegenteil, all die ungesagten und gesagten Dinge stehen zwischen ihr uns ihrer Familie.

Überraschende Wendung

Um das Gedenken ihrer Schwester zu wahren hat sich Genny (die älteste Schwester) nun vorgenommen, den geplanten Road Trip von Kezi mit dem Green Book* durch Amerika zu starten.
An ihrer Seite sind nicht nur Happi, sondern auch noch zwei weitere Freunde. Es ist nicht nur eine Gelegenheit für die vier jungen Menschen, ihre Trauer zu verarbeiten und sich mit der düsteren Vergangenheit auseinanderzusetzen, sondern sich auch gegenseitig und vor allem die unterschiedlichen Seiten von Kezi kennenzulernen.
So bietet das Buch natürlich auch seinen Leser*innen jede Menge Aufklärung und einen weiteren Blick. Die Möglichkeit, sich von festgefahrenen Strukturen zu lösen und die Dinge so zu sehen, wie sie einfach sind.

Es wird in naher Zukunft einen Tag geben, an dem dieser Reiseführer nicht mehr nötig ist.
Dann werden wir in den Vereinigten Staaten die gleichen Rechte und Privilegien wie alle anderen haben.
Der Tag, an dem wir die Herausgabe dieses Buches einstellen können, wird großartig, denn dann können wir hingehen, wohin immer wir wollen und ohne uns schämen zu müssen.

Victor Hugo Green

Dass diese Geschichte mit ihrer Message eine Wucht sein wird, habe ich mir vorher schon gedacht. Doch mit was für einer Vielschichtigkeit und mit wie vielen Facetten die beiden Autorinnen hier gearbeitet haben, lässt mich immer noch sprachlos zurück. Es ist traurig, es macht wütend und es ist erschreckend ernüchternd. Doch nicht nur das, neben vielen wichtigen großen Themen, schaffen es Maritza und Maika Moulite hier auch die vielen kleinen und nicht weniger bedeutsamen Dinge mit einzuarbeiten, die man doch schnell immer wieder aus den Augen verliert.
Nicht zuletzt gab es hier eine Wendung, die ich so nie erwartet hätte. Zuerst war ich mir unsicher, ob sie diese Geschichte weiterhin in dieselbe Richtung lenkt oder dadurch eventuell an Gewicht verliert, doch das Gegenteil ist eingetreten und ich bin wirklich sprachlos.
In meinen Augen nicht nur eine wichtige, sondern auch fernab vom Thema eine herausragende Geschichte, die hoffentlich die Aufmerksamkeit bekommt, die sie ohne Frage allemal verdient!

*“The Negro Motorist Green-Book war ein jährlich erscheinender Reiseführer für afroamerikanische Autofahrer, der von 1936 bis 1966 in den Vereinigten Staaten herausgegeben wurde. Bis zu seinem Tod 1960 zeichnete Victor Hugo Green für die Herausgabe verantwortlich.“ (Quelle: Wikipedia)

Mit One Of The Good Ones haben Maika und Maritza Moulite eine atemberaubende Story auf den Markt gebracht, die leider eine furchtbare Wahrheit beleuchtet, aber vor allem all die Facetten, die dazu gehören und die wir immer wieder unter den Tisch fallen lassen. Dieses Buch macht traurig und wütend und zeigt genau dadurch, wie wichtig es ist.
Eine Geschichte, die ich wirklich jedem nur empfehlen kann.

KAUFEN!

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