Rezension | Von hier bis zum Anfang von Chris Whitaker
Titel: Von hier bis zum Anfang | Originaltitel: We begin at the End | Autor*in: Chris Whitaker | Übersetzer*in: Conny Lösch | Verlag: Piper | Erscheinungsdatum: 01.07.2021 | Seitenzahl: 448
Cape Haven, Kalifornien. Eine beschauliche Kleinstadt vor dem Panorama atemberaubender Küstenfelsen. In diesem vermeintlichen Idyll muss die 13-jährige Duchess nicht nur ihren kleinen Bruder fast alleine großziehen, sondern sich auch um ihre depressive Mutter Star kümmern, die die Ermordung ihrer Schwester vor 30 Jahren nie verwinden konnte. Als deren angeblicher Mörder aus der Haft entlassen wird, droht das fragile Familiengefüge, das Duchess mühsam zusammenhält, auseinanderzubrechen. Denn der Atem der Vergangenheit reicht bis in das Heute und wird das starke Mädchen nicht mehr loslassen …
Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
Kennt ihr das, ihr seht ein Buch und habt einfach das Gefühl, dass diese Geschichte genau das richtige für euch ist? Genauso erging es mir mit Von hier bis zum Anfang.
Eine düstere Coming-of-Age Story
Vor 30 Jahren gab es zwei Pärchen, die unzertrennlich waren. Martha und Walk, sowie Star und Vincent. Doch dann der tragische Unfall – Vincent tötet die kleine Schwester von Star und wandert mit seinen 15 Jahren in ein Gefängnis für Erwachsene und muss dort seine Strafe absitzen. Solch eine Tragödie geht an niemandem spurlos vorbei, doch gerade Star hat das alles den Boden unter den Füßen weggezogen. Mittlerweile ist sie alleinerziehende Mutter, wobei dieser Begriff auch sehr dehnbar ist, denn hauptsächlich hat sie sich an Drogen und Alkohol verloren und ihre 13-jährige Tochter Duchess versucht den letzten kleinen Rest an Familie zusammenzuhalten und kümmert sich nicht nur um sich selbst und ihre Mutter, sondern auch um ihren kleinen 5-jährigen Bruder.
Das alles wäre so schon kein zumutbarer Zustand, doch als dann Vincent King aus dem Gefängnis freigelassen wird, scheinen sich alle Ereignisse nur noch zu überschlagen und zerstören den letzten Halt, den Duchess noch hatte. Die Geschichte ist von der ersten Seite an beklemmend und es handelt sich hierbei um alles andere, nur um kein Wohlfühlbuch. Es ist tragisch, herzzerreißend und scheinbar hoffnungslos – dennoch übt die Story eine unbändige Faszination beim Lesen aus und es entwickelt sich ein Sog, dem man sich nicht mehr entziehen kann. Zumindest ging es mir so. Chris Whitaker hat aber auch einfach ein unfassbares Talent zum Schreiben und seine Charaktere nehmen eine so feste Gestalt an, dass man das Gefühl hat, man würde sie selbst kennen und ihre Schicksale mit ihnen zusammen erleiden.
Der Outlaw & der Prinz
Duchess Kindheit war und ist geprägt von Gewalt und Verlust. Kein Wunder also, dass sie sich selbst schon lange nicht mehr als Kind sieht, stattdessen spricht sie von sich nur als Outlaw, denn die haben vor niemandem Angst und lassen sich von niemandem etwas sagen. Das wiederholt sie so oft, dass schnell klar wird, dass es sich hierbei um ihr Mantra handelt, das sie am Leben hält. Der Jugendfreund ihrer Mutter Walk ist mittlerweile Polizist und hat es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur zwischendurch nach seiner alten Freundin zu schauen, sondern auch ein Blick auf ihre Kinder zu haben. Ein herzensguter Mensch, der es genau dadurch auch nicht immer leicht hat, aber wenigstens den Kindern etwas Halt bietet. Ich möchte niemanden spoilern, aber nachdem ich nun schon erzählt habe, wie düster, traurig und tragisch diese Geschichte ist, sollte es niemanden überraschen, dass hier erst einmal kein Happy End in Sicht ist, sondern alles nur noch schlimmer wird.
Es ist schwierig den Tiefgang und die Geschehnisse in Worte zu fassen, ohne etwas vorwegzunehmen. Doch Duchess Geschichte ist noch lange nicht am Tiefpunkt. Und immer, wenn man denkt, jetzt muss es doch endlich besser werden und das am Ende des Tunnels nun endlich ein wenig Licht zu sehen ist, holt die grausame Realität alles wieder ein. Es ist die Geschichte von einem Outlaw Mädchen, das ihrer Kindheit beraubt wurde und ihrem kleinen Bruder, der für sie die Welt ist, ihr Prinz. Chris Whitaker hat jeden Charakter so detailreich beschrieben, dass jeder unglaublich viele Ecken und Kanten hat, aber kaum einer durchweg böse erscheint. Es gab so viele tolle Menschen hier kennenzulernen, die versucht haben Duchess zu helfen, sie aber manchmal einfach nicht verstanden haben oder es vielleicht sogar getan haben, aber an ihrer harten Schale abgeprallt sind. Mir sind beim lesen wirklich oft die Tränen in die Augen geschossen, weil ich das ganze Leid gar nicht begreifen konnte und auch nicht immer sehen wollte. Doch die Geschichte hat mich vom Anfang bis zum Ende hin tief bewegt und wird mir noch lange im Kopf bleiben.
Ich hatte so große Erwartungen an Von hier bis zum Anfang von Chris Whitaker, dass es kaum möglich war, dass diese auch erfüllt werden. Dennoch ist genau das geschehen – eine düstere und tragische Coming-of-Age Story über ein Outlaw Mädchen, das endlich ankommen möchte.
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AUCH REZENSIERT VON: booknerds | Vera Litera | Eulenmatz liest | Claudias Bücherhöhle
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