[BOOKTALK] Wie mich „Die schwarze Zauberin“ in den Wahnsinn trieb
Titel: Die schwarze Zauberin | Originaltitel: The Black Witch | Autor: Laurie Forest | Übersetzer: Freya Gehrke | Verlag: HarperCollins | Erscheinungsdatum: 5.03.2018 | Seitenzahl: 592
Mit großer Vorfreude habe ich nach diesem Buch gegriffen, der tatsächliche Inhalt hat mich dann hingegen aber wirklich in den Wahnsinn getrieben. Da ich meinen Gedanken gerne Luft machen möchte, SPOILERT dieser Beitrag den Inhalt!
Wenn ihr das Buch also noch nicht gelesen habt, es aber noch vor habt: LEST AUF KEINEN FALL DIESEN BEITRAG.
Auf dem Bild kann man noch ganz klar meine Vorfreude erkennen. Der Klappentext hatte mich auch gleich angesprochen und ich hatte mich sehr gefreut, als ich diesen Titel als Rezensionsexemplar vom Verlag zugeschickt bekommen habe. Hätte ich mich vorher schon bei Goodreads erkundigt, hätte ich dem folgenden Problem sicherlich aus dem Weg gehen können…
Denn im deutschsprachigen Raum hat das Buch zwar wirklich gute Kritiken, in Amerika ist es aufgrund des Umgangs mit Themen wie Sexismus, Rassismus und Homophobie aber ziemlich angeeckt. Als ich Letzteres gehört habe, war ich zumindest froh, dass ich nicht allein mit meiner Meinung dastehe.
Die 17-jährige Gardnerierin Elloren ist die Enkelin der schwarzen Zauberin, der letzten großen Hexe ihres Volkes. Obwohl sie ihr sehr ähnlich sieht, spürt sie keine magischen Kräfte in sich. Ein Traum wird wahr, als sie dennoch auf die berühmte magische Universität gehen und das Handwerk der Apothekerin erlernen darf. Doch dort lernen auch Elben, gestaltwandelnde Lykaner und geflügelte Icarale – die Erzfeinde der Gardnerier. Und als das Böse aufzieht, bleibt Elloren keine andere Wahl, als ausgerechnet denjenigen zu vertrauen, die sie für die schlimmsten Verräter gehalten hat.
Bevor ich beginne: das hier soll auf keinen Fall ein Verriss/Rant werden, einfach nur um mehr Aufmerksamkeit zu erlangen. Ich habe die letzten Tage auch wirklich mit mir gehadert, wie ich diesen Beitrag angehen soll. Allerdings hat mich das Buch wirklich so fertig gemacht, dass ich meinen Gedanken einfach einmal Luft machen muss. Und auch, wenn ich niemanden angreifen möchte, lässt es sich wohl einfach nicht anders gestalten, da ich hier nichts schön reden kann.
Ich weiß, dass es vielen beim Lesen dieser Geschichte anders ergangen ist, aber hierbei handelt es sich nun einmal um mein Empfinden.
Wenn das Blut rein bleiben soll
Komische Überschrift? Dann lest erst das Buch, hier wird diese Formulierung nämlich des Öfteren verwendet.
Elloren scheint die Rassentrennung sehr wichtig zu sein, und vor allem eben auch die Reinhaltung der Rasse. Mich überkommt es schon allein dabei, diese Zeilen nur zu schreiben. Immer und immer wieder spielt sich diese Einstellung nicht nur in Ellorens Gedanken ab, sondern auch in ihrem Umgang.
Andere Wesen werden nicht als „Mitmenschen“, sondern als niedere Rassen eingeordnet.
Man könnte jetzt vielleicht annehmen, dass die 17-jährige Protagonistin vorher unter einem Stein gelebt hat und es einfach nicht besser wusste.
Doch auch ihre ersten Zusammentreffen scheinen sie nicht zu belehren. Vielmehr wird deutlich, wie tiefsitzend ihre Intoleranz, ihr Hass und ihr Ekel ist.
Genau, Ekel.
In der einen Szene kommt sie in ihr neues Zimmer auf der Universität und trifft dort auch ihre neuen Mitbewohnerinnen. Zugegebenermaßen sind diese nicht ganz ohne, allerdings plagt Elloren als erstes der Gedanke, ihr Bett neu beziehen zu müssen, da sie allein den Gedanken daran, dass ein anderes Wesen ihr Bett mit seiner Haut berührt hat nicht ertragen kann.
„Rassenvermischung“ ist somit ein absolutes No-Go – denn niemand kommt auch nur annähernd an die Gardnerier heran – die sogenannten ersten Kinder.
Solche Beispiele haben sich auf fast jeder Seite gefunden und schienen gar kein Ende mehr nehmen zu wollen, was mich mehr als nur fertig gemacht hat.
Ich ziehe Ariels Laken und Bezüge vom Bett, angewidert von der Vorstellung, in irgendetwas zu schlafen, das die Haut eines Icarals berührt hat, und schleudere sie grob in ihre Richtung.
Von Sexismus und dem Rückschritt der Frau
Es kommt zwar leider nicht allzu selten vor, dass die Darstellungen der Frauen in Jugendromanen eher unterwürfig und demnach für mich persönlich sehr fragwürdig sind, doch auch hier hat dieses Thema ganz neue Ausmaße angenommen.
Elloren soll „verwunden“, quasi verheiratet, werden. Hierbei ist es auch nicht wirklich relevant, ob dieser neue Partner ihr zusagt, geschweige denn, ob sie ihn kennt.
Als sich Elloren dem entgegenstellt war ich schon in der Hoffnung, dass hier dadurch wenigstens dieser Standpunkt mal in die richtige Richtung geht. Allerdings habe ich mich da schon zu früh gefreut. Als sie sich dem nämlich entgegenstellt und mit den darauf folgenden Konsequenzen leben muss, überlegt sie schon, ob sie nicht doch alles über sich ergehen lassen sollte. Der potenzielle Anwärter sieht schließlich auch ganz gut aus und hat einen hohen Rang. Wieso sich also weiter genieren?
Dieser Vertreter ist wahrlich ein Prachtexemplar – gutaussehend, genießt ein gutes Ansehen und natürlich unerhört chauvinistisch..ähm charmant natürlich!
Als dieser ihr seine magischen Fähigkeiten vorführen soll, tut er das prompt – mit einem Fesselungszauber zieht er Elloren zu sich heran und küsst sie.
Und Elloren? Findet das süß. SÜSS. Ich bin fast vom Glauben abgefallen.
Ein bisschen Homophobie hat noch keinem geschadet
Oder etwa doch? In dem vorhandenen System, bzw. der Gesellschaft ist auch eine gleichgeschlechtliche Beziehung stark verpönt, welch eine Überraschung.
Das ist allerdings nichts, was schon vorher thematisiert wurde, sondern erst auf den Tisch kommt, als Ellorens Bruder sich vor ihr outet.
Und sie? Rastet. Einfach. Aus.
Mit null Empathie wird dieses Thema angegangen, und es fallen Aussagen, die nur auf eines hinauslaufen: Das ist unnatürlich und falsch, du musst das ändern.
Cool, alles klar. Das war ja schon immer eine Sache, die man sich aussuchen konnte.
Elloren spricht in dieser Situation auch wieder nur davon, wie schlecht es IHR damit ergeht, da sie die „Unsäglichen“, also andere Rassen und nun auch noch ihren schwulen Bruder geradezu anzuziehen scheint.
Klingt übertrieben? Genauso spielt sich die Szene aber ab.
Ihr Bruder bringt zwar eine ganz einfache Lösung hervor, dass es nämlich auch abgeschiedene Völker gibt, die sich homosexuellen Beziehungen nicht in den Weg stellen, aber einfacher für alle wäre es scheinbar, wenn er das doch unterbinden könnte.
„Du kannst nicht so sein. Das darfst du nicht. Du musst dich ändern.“
Wie benebelt schüttle ich den Kopf. „In letzter Zeit scheine ich sie wirklich zu sammeln.“
„Unsägliche?“
„Icarale, Lykaner.“ Eine getarnte Wasser-Fae. „Und jetzt auch noch du.“
Die Idee dahinter
Ja, ich weiß. Ich weiß, wie man den Verlauf der Geschichte sehen könnte – die arme Elloren hat es einfach nicht besser gewusst, woher auch, so ist sie kein selbstständig denkender Mensch und wurde zum Glück eines besseren belehrt, wodurch sich ihre Ansichten geändert haben.
Nein. Es tut mir leid, aber einfach nein. Wenn diese Wendung schneller gekommen wäre, hätte ich da durchaus mitziehen können, dem war aber einfach nicht so. Es gab einfach zu viele Szenen und Situationen, die mich fast um den Verstand gebracht haben.
Denn es ist einfach keine Rechtfertigung für solch ein Verhalten. Generell fällt mir einfach NICHTS ein, was solch ein Verhalten rechtfertigen könnte. Ja, zum Ende hin hat Elloren ihre Vorurteile überdacht und scheint auch ganz schockiert, wenn sie solch ein Verhalten bei anderen sieht. Das alles nach nur wenigen Tagen, was in meinen Augen einfach unrealistisch ist.
Da bringt es auch nichts, wenn die Protagonistin später „einsichtig“ wird, denn so hat die Geschichte für mich eher die Schlussfolgerung, dass so ein Verhalten entschuldbar ist und durchaus vorkommen kann. Die perfekte Rechtfertigung. Es ist nicht Aufgabe anderer das eigene Weltbild ins richtige Licht zu rücken, sondern die eigene.
Als ich bei fast der Hälfte des Buches angekommen bin, habe ich bei Facebook nachgefragt, ob ich irgendetwas falsch verstanden hätte, weil sich mir einfach nicht erklären konnte, wo die Begeisterung gegenüber dieser Geschichte herkommen konnte.
Als Antwort war alles mit dabei, von „Solche Andeutungen habe ich schon gelesen und daher bewusst nicht zum Buch gegriffen“, über „Danke für deine Einschätzung, so werde ich nicht zum Buch greifen“ bis hin zu „Du musst dieses Buch einfach zu ende lesen, es ist ausgesprochen wichtig sich mit dem Thema auseinanderzusetzen“.
Natürlich hat jeder ein eigenes Empfinden, hier wurde allerdings ein menschenverachtendes Verhalten an den Tag gelegt, wie ich es vorher noch nicht gelesen habe. Wieso ich das Buch beendet habe? Damit ich diesen Beitrag schreiben konnte.
Mir ist es einfach unmöglich Die schwarze Zauberin in einer Kategorie zu bewerten. Für mich ist es mehr als nur ein Fehlgriff, ein Buch, das ich einfach nur aus meinem Sichtfeld verbannen möchte. Natürlich kann ich niemandem von diesem Buch abraten und es ist niemals verkehrt sich selbst ein Bild zu machen, doch empfehlen kann ich diese Geschichte auf keinen Fall.
Sie hat mich erschüttert und entsetzt zurückgelassen. Ich verstehe durchaus die Idee hinter diesem Buch, für mein Empfinden wurde diese aber absolut falsch angegangen und findet bei mir keinen Funken Sympathie. Es tut mir wirklich leid, doch solch ein Ausmaß hätte ich niemals für möglich gehalten.
Obwohl ich mich so sehr auf diese Geschichte gefreut habe, konnte ich ihr leider nichts abgewinnen. Die Welt hatte durchaus spannende Ansätze und faszinierende Wesen, der Fokus war aber ganz anders gesetzt. Wären die oben genannten Aspekte anders angegangen worden, hätte es durchaus ein unterhaltsames Werk werden können.
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