Buchspecial zu Runa: Hysterie
„Man veröffentlichte nicht nur deren Äußerungen aus dem Verbaldelirium und die dazugehörigen, überaus spannenden Fotografien, sondern man führte sie auch öffentlich vor, in den leçons du mardi. Bei dieser Gelegenheit konnte man sie … in einen Starrkrampf versetzen und dann mit Hypnose, Magneten, Elektroschocks und dem besonderen zeitgenössischen Highlight malträtieren, der Ovarienpresse.“
(Aus dem franz. Original Iconographie (1878), S. 165 f. Zitiert nach Brück, S. 87)
Jetzt wundert sich sicherlich der ein oder andere über diesen außergewöhnlichen Beitrag. Aber hier handelt sich lediglich um das Buchspecial zum Sonntag zu dem atemberaubendem Buch Runa von Vera Buck.
Yvonne und ich haben uns vorgenommen, das Buch ein bisschen „auseinander zu nehmen“ bzw. uns auch einmal in die interessante Thematik einzulesen. So könnt ihr in diesem Fall bei ihr etwas über den sagenumwobenen Jean-Martin Charcot lesen und bei mir genaueres zum Thema Hysterie erfahren.
Bei dem Begriff Hysterie handelt es sich um eine veraltete Beschreibung, die wie auch im Buch zum 19. Jahrhundert hin eine medizinische Diagnose zu einer neurotischen Störung ausschließlich für Frauen war.
Unter anderem hat man folgende Verhaltensstörungen darunter aufgefasst: oberflächliche, labile Affektivität und ein hohes Bedürfnis nach Geltung und Anerkennung.
Das Phänomen war natürlich, dass diese Krankheit, zu dem derzeitigen Stand, wohl nur die Frauen der Schöpfung betraf, da diese Erkrankung mit der Gebärmutter verbunden wurde.
Diese Ansätze haben bereits ihre Wurzeln in der Antike, und so wurde auch hier angenommen, dass die Gebärmutter, wenn sie nicht regelmäßig mit Samen gefüttert werde, im Körper suchend umherschweife und sich dann am Gehirn festbeiße.
Ohja, sehr charmant. Und genau diese Denkensweise, die allerdings trotz aller Bedenken zu dieser Zeit sehr fortschrittlich war, führte zu, naja, sehr außergewöhnlichen Behandlungsmethoden. Diese wurden vor allem auch wirklich vom besagten Nervenarzt Jean-Martin Charcot nicht nur durchgeführt, sondern auch öffentlich zur Schau gestellt.
Wie man vermuten kann, wurden bei diesen Szenerien bevorzugt die weiblichen Geschlechtsorgane behandelt. Und da man angenommen hat, das einer Frau scheinbar der sexuelle Ausgleich fehlt, wurde dieser auf der Bühne nachgeholt. Mit Hilfsmitteln wie der Ovarienpresse/Ovarialpresse. Mit den Gerätschaften wurden empfindliche Stellen bearbeitet um die jungen Frauen zu ihrem Höhepunkt zu bringen.
Allerdings war das nicht das einzige Vorgehen, ebenso wurden die Patientinnen mit Hypnose und Metallotherapie behandelt.
(Ovarienpresse von 1878)
Und auch wenn es jetzt noch so verstörend wirken sollte, was es für mich im Buch der Fall war, muss man sich wohl dennoch die medizinischen Ansätze, die sich bis heute bewährt haben, vor Augen halten.
Und letztendlich sind Charcot und Freud auch noch darauf aufmerksam geworden, dass dieses Krankheitsbild keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern macht.
Und somit wurde 1952 die „Hysterie“ als medizinischer Begriff verabschiedet, da es sich hierbei lediglich um einen Sammelbegriff für eine Vielzahl nicht klar eingrenzbarer und ausschließlich weiblicher Beschwerden handelte.
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