Rezension | Bus 57 von Dashka Slater
Titel: Bus 57 | Originaltitel: The 57 Bus | Autor: Dashka Slater | Übersetzer: Ann Lecker | Verlag: Loewe | Erscheinungsdatum: 11.03.2019 | Seitenzahl: 400 | Altersempfehlung: ab 14
Der Bus der Linie 57 ist das einzige, was Sasha und Richard miteinander verbindet. Richard ist Afroamerikaner, geht auf eine öffentliche Schule und hat gerade einen längeren Aufenthalt in einer betreuten Wohngruppe für jugendliche Straftäter hinter sich. Sasha ist weiß, besucht eine Privatschule und identifiziert sich selbst als agender. Nur acht Minuten täglich verbringen Sasha und Richard gemeinsam im Bus 57. Bis zu dem Tag als Sasha den langen weißen Rock trägt und Richard ihn anzündet.
Dashka Slater hat den nachfolgenden Gerichtsprozess monatelang verfolgt, mit Beteiligten gesprochen und die Hintergründe recherchiert. Bus 57 ist die akribische Dokumentation eines berührenden Falles, der tragischen Verstrickung zweier Jugendlicher, die doch nur eines wollen: glücklich sein, trotz allem.
Im Februar 2015 erschien im New York Times Magazine unter der Überschrift The Fire on the 57 Bus ein längerer Artikel der Journalistin Dashka Slater über einen Vorfall, der sich eineinhalb Jahre zuvor in Oakland ereignet hatte. Ein afroamerikanischer Teenager setzt die Kleidung eines Gleichaltrigen in Brand, der genderqueer ist. Sashas und Richards Schicksal ließ Dashka Slater nicht mehr los, so dass aus dem Artikel dieses Buch entstanden ist. Sie erzählt darin von Sashas ungewöhnlicher fantasievoller Kindheit, dem Coming-Out, den Krankenhausaufenthalten, aber auch von der Unterstützung, die Sasha erfährt, nicht nur in der LGBTQ-Community. Genauso sorgfältig arbeitet sie Richards Geschichte auf und wirft einen Blick auf ein Justizsystem, das afroamerikanische Jugendliche anders zu behandeln scheint als weiße. Die Staatsanwaltschaft stuft Richards Tat zunächst als Hate-Crime ein, wodurch ihm ein Verfahren unter Erwachsenenstrafrecht droht und damit eine womöglich lebenslange Haftstrafe.
Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
Als mir dieser Titel auf der Messe vorgestellt wurde, war ich sofort hin und weg. Ich muss gestehen, dass dieser Vorfall total an mir vorbeigegangen ist, ich aber unbedingt mehr über diese beiden Leben erfahren wollte, die auf tragische Weise miteinander verbunden sind.
Unter die Haut
Ich muss wohl nicht extra erwähnen, um was für eine schmerzhafte Thematik, es sich hier handelt. Und das schlimmste: es ist eben keine Fiktion. Nachdem die Autorin auf diesen tragischen Vorfall aufmerksam geworden ist, schien es sie einfach nicht mehr los zulassen. Und genau das hat dazu geführt, dass dieses Buch entstanden ist. Ich kann gar nicht oft genug sagen, wie wichtig es ist, solche Themen immer wieder anzusprechen. Sie laut anzusprechen und sie nie, niemals unter den Teppich zu kehren.
Und so findet sich hier nicht nur eine Ansammlung des damaligen Geschehens wieder, sondern viel mehr gleicht dieses Buch einem Puzzle, das nach und nach mehr Gestalt annimmt. Es sind die Leben von Sasha und Richard, die nicht unterschiedlicher sein könnten und wie sie aufeinander treffen. Es sind die Ansichten, die man im ersten Moment hat und die vielleicht nach und nach ein wenig zu bröckeln anfangen. Es ist unser Umgang mit Menschen, die eben nicht weiß und/oder heterosexuell sind, oder sich gar in keiner festen Geschlechterrolle wohl fühlen. Wir sind es alle, die zu solchen Vorfällen führen, es unseren Mitmenschen erschweren, ohne selbst davon betroffen zu sein. Manchmal sind es nur die Kleinigkeiten, die einen großen Unterschied machen. Vielleicht, müssen wir einfach lernen genauer hinzusehen.
Hin und her gerissen
Dashka Slaters Aufklärungs- und Recherchearbeit dienen in keinem Fall um die Tat von Richard in irgendeiner Art und Weise zu verharmlosen. Viel eher gibt sie uns eine Antwort auf die Frage „Warum?“. Wie oft hört man von schrecklichen Dingen und kann sich einfach nicht erklären, wie Menschen zu solchen Taten in der Lage sein können. Was kann einen dazu bewegen, einem anderen Menschen etwas so grauenhaftes anzutun? Und genau hierfür gibt es wenigstens ein bisschen Klarheit. Es ist keine Entschuldigung, keine Rechtfertigung – aber irgendwo ist es immerhin eine Erklärung.
Gerade durch die intensiven Erzählperspektiven habe ich mit beiden mitgefühlt. Wo ich bei Sasha tiefste Verzweiflung und unglaublich viel Schmerz aufgenommen habe, habe ich fassungslos Richards Lauf verfolgt und wäre am liebsten ins Buch, in den Bus gesprungen. Gleichzeitig gab es aber noch so viel mehr zu erfahren: Sascha, mit sierer lebensfrohen und gleichzeitig unglaublich pragmatischen und irgendwie naiven Art. Wie hier die „genormten“ Geschlechterrollen und sexuelle Orientierungen aufgebrochen werden und man selbst noch so einiges lernen kann. Auch die Verwendung der entsprechenden Pronomen finde ich unglaublich wichtig. Auf der anderen Seite muss ich aber auch gestehen, dass ich Richard in mein Herz geschlossen habe, auch, wenn ich später nicht mehr wusste, wohin mit meinen Gefühlen. Zwei Leben, die von Grund auf so unterschiedlich sind und dennoch auf tragische Weise zueinander gefunden haben.
Dashka Slater hat mit Bus 57 eine herausragende Arbeit geleistet, die definitiv mehr Aufmerksamkeit verdient. Denn leider ist dieser Vorfall kein Einzelfall. Uns allen fehlt es an Weitsicht und Aufklärung und genau deshalb sind solche Werke so wichtig. Was würde ich dafür geben, wenn solche Geschichten einmal zur Schullektüre werden würden.
>> The Fire on the 57 Bus (New York Times Magazine) <<
Dashka Slater hat mich mit Bus 57 mehr als nur sprachlos zurückgelassen. Obwohl ich geahnt habe, was mich erwarten würde, war ich darauf einfach nicht vorbereitet. Hinter den zusammengetragenen Infos der Ereignissen steckt jede Menge Aufklärungsarbeit und vor allem eine Antwort auf die Frage, die wir uns immer wieder stellen: Wieso nur?
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AUCH REZENSIERT VON: Kathrineverdeen | Kasimira
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