Titel: Daisy |  Autor*in: Colin Lorimer | Übersetzer*in: Christian Heiss |  Illustrator*in: Colin Lorimer |  Verlag: Cross Cult |  Erscheinungsdatum: 17.04.2023  |  Seitenzahl: 128

Biblischer Horror trifft auf meisterliche Visualität

Die verzweifelte Suche einer Mutter nach ihrem verschwundenen Sohn führt schlussendlich zur geheimnisvollen Familie von Daisy Phillips. Wie viele andere Teenager hat Daisy große Schwierigkeiten, sich gesellschaftlich anzupassen – allerdings aus eher untypischen Gründen: Daisy ist über zwei Meter groß und glaubt, sie würde von kannibalischen Riesen abstammen, die dem Schoß der aus dem Himmel Verdammten entsprungen sind. Diese zerbrechliche, entstellte Jugendliche könnte den Schlüssel zur Sprache der Schöpfung – der göttlichen DNA Gottes – besitzen und die monströse Lüge aufdecken, die in der Schöpfung selbst verborgen zu sein scheint.

Colin Lorimers DAISY ist ein grafisches Meisterwerk des modernen Horrors und greift inhaltlich auf biblisch-apokalyptischen Elementen im Kontext mit dem Buch Henoch zurück, das aus dem biblischen Kanon ausgeschlossen wurde und den Krieg der Engel und die Einführung des Menschen in Gewalt, Korruption und das Böse offenbart.

Vielen lieben Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars.

Tatsächlich muss ich gestehen, dass dieser Comic zuerst an mir vorbeigegangen ist, als ich neulich aber einen genaueren Blick darauf geworfen habe, dachte ich nur „hey, genau mein Ding!“.

Die dunklen Ecken dieser Welt

Lindsay Taylor hat ihren Sohn bereits vor über fünf Jahren als vermisst gemeldet, wenn auch schon 19 war klar, dass dieser nicht einfach weggelaufen ist, sondern etwas passiert sein muss.
Wirkliche Spuren gibt es keine und als sie auf einmal einen Anruf erhält, der Andeutungen auf das Überleben ihres Sohnes und Familiendetails gibt, wallt die Hoffnung in ihr wieder auf. Als ehemalige Polizistin hat sie sich schnell den einen oder anderen Gefallen wieder eingefordert und findet den Standort des Anrufers: die Kleinstadt Brimont. Dort angekommen verschlägt es sie zur Familie von Daisy Philips und anstatt Erleichterung findet sie hier nur noch mehr Grauen.

Die junge Daisy Philips zeichnet sich in vielerlei Hinsicht aus, vor allem wohl aber, dass sie ihre stattliche Größe von über zwei Metern darauf zurückführt, dass sie wohl von kannibalischen Riesen abstammt.
Das erscheint nicht nur Lindsay Taylor merkwürdig, auch als Leser*in fühlt man sich eher in einen abgeschiedenen und ziemlich verdrehten Kult hineingeworfen. Dass die Familie, umgeben von so vielen Kindern, gehütet von Daisy und einem nicht wirklich ansprechbarem „Vater“ sehr merkwürdig ist, ist auch so klar. Doch was sich da mitten im dunklen Wald verbirgt, ist dann doch noch wesentlich mehr.

Biblisch-apokalyptisch

Ich muss zugeben, dass mir Religionen und auch die Bibel nicht viel geben, wodurch ich zwar schon die Grundpfeiler kenne (war auch jahrelang offiziell in der Kirche), aber keine Expertin auf diesem Gebiet bin. Colin Lorimer lässt sich allerdings auch nicht lumpen und zieht hier eine ganz besondere Karte aus dem Ärmel: das Buch Henoch. Dieses gehört nicht zum „biblischen Kanon“ und schildert die Entstehung der Menschheit aus dem Ursprung vom Krieg der Engel, die teilweise mit menschlichen Frauen sich fortgepflanzt haben, woraus – Überraschung – kannibalische Riesen entstanden sind.
Naja, kommt wohl weniger gut, dass Sonntags in der Kirche zu predigen.

Dass dieser Ursprung nicht nur mythologisch eine hervorragende Vorlage bietet, sondern auch als perfektes Horrorsetting ganz grandios funktioniert beweist nun der Künstler, die die ganze Atmosphäre aufgreift – zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her switcht und dazu ein atemberaubendes Artwork abliefert, das perfekt zur Grundstimmung passt.
An der einen oder anderen Stelle hätten mir noch mehr Erklärungen gefallen, denn manches verwirrt i ersten Moment doch, aber trotzdem verliert man nicht den roten Faden und bekommt einiges geboten, was Horror-Genre-Fans sicherlich begeistern wird!

Was hier vielleicht ein wenig unscheinbar wirken könnte, entpuppt sich als grandioser biblisch-apokalyptischer Horror von Colin Lorimer, der durchaus zu unterhalten weiß.
Für mich echt ein Überraschungshit, der genau die richtige Atmosphäre eingefangen hat, um mir so manche Gänsehautmomente bescheren zu können.

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