Rezension | Gegen mein Gewissen von Hannah Brinkmann
Titel: Gegen mein Gewissen | Autor: Hannah Brinkmann | Illustrator: Hannah Brinkmann | Verlag: Avant Verlag | Erscheinungsdatum: 01.11.2020 | Seitenzahl: 232
„Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.“ (Artikel 4 Absatz 3 des Deutschen Grundgesetzes)
Keine 10 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg begriff sich die Bundesrepublik Deutschland wieder als militärische Kraft. Die 1956 neu gegründete Bundeswehr verpflichtete Generationen junger Männer zum Dienst an der Waffe. Das Grundgesetz sah vor, dass man aufgrund von Gewissensnöten den Wehrdienst verweigern konnte, aber noch zu Zeiten von Willy Brandts Kanzlerschaft galt die Kriegsdienstverweigerung als systemzersetzend.
Unter großem Druck und vielen Demütigungen musste die Gewissensnot bewiesen werden. Vor Gutachtern, denen die Bundeswehr mehr galt, als das Wohl der Rekruten. Einer dieser jungen Männer war Hermann Brinkmann, ein überzeugter Pazifist, der 1973 eingezogen wurde. Vergeblich wehrte er sich gegen seinen Einberufungsbefehl. Während der Grundausbildung nahm er sich das Leben …
Hannah Brinkmann arbeitet in ihrem für den Leibinger-Preis nominierten Debüt „Gegen mein Gewissen“ das Schicksal ihres Onkels auf, das in den 1970ern bundesweit Schlagzeilen machte und eine Debatte über die Rechtmäßigkeit der Gewissensprüfung auslöste. Unaufgeregt, einfühlsam und brillant recherchiert, erzählt die Hamburger Comickünstlerin vom Aufbegehren gegen Autoritäten und dem Kampf für das Richtige.
Vielen Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars!
Ehrlich gesagt, hatte ich diesen Comic gar nicht mehr so auf dem Schirm und war ein wenig überrascht als er bei mir angekommen ist, umso größer war dann aber auch die Neugier!
Ein Thema mit wenig Beachtung
Die meisten können sich sicherlich noch an die großen Meilensteine ihrer Geschichtsstunden aus der Schulzeit erinnern, in der Regel kommen noch ein paar Familienerinnerungen dazu und das, was das eigene politische und geschichtliche Interesse mit sich bringen. Meine Uroma war eine der Berliner Trümmerfrauen, meine Oma würde während des zweiten Weltkriegs weggeschickt – doch was hat die Nachkriegszeit noch mit sich gebracht? Und vor allem, wie lange hat sich das noch gezogen?
An diesem Punkt muss ich leider gestehen, dass bei mir eine relativ große Lücke klafft, zumindest rund um das Thema Wehrdienst in der Nachkriegszeit.
Dabei hat mir Hannah Brinkmann mit Gegen mein Gewissen mehr als nur aufgezeigt, was sich auch hier für wichtige Dinge abgespielt haben. Denn nachdem die Wehrpflicht ihre Risse bekommen hat und man aufgrund von Gewissensnöten sich davon eigentlich befreien konnte, war das noch lange nicht so einfach wie gedacht. Anhand der Geschichte ihres Onkels erzählt die Autorin was dieses Vorgehen für Hürden mit sich gebracht hat und wie es fast unmöglich war, das auch wirklich belegen zu können.
Ergreifend und authentisch
Es liegt mit Sicherheit nicht nur daran, dass die Autorin die tragischen Ereignisse in ihrer eigenen Familie erleben musste, sondern auch an einem hohen Maß an Feingefühl und ihr Talent für diese künstlerische Darstellung einem diese Geschichte so nahezubringen, dass man sich fühlt, als wenn man selbst in der Geschichte drinstecken würde.
Tragisch trifft es nicht annähernd, es ist viel eher ein entsetzlicher Skandal, den sich die Regierung und die Politik dort erlaubt hat und der Menschenleben gefordert hat.
Was würdest du tun, wenn du entgegen aller deiner Prinzipien zu etwas gezwungen wirst und keinen Weg herausfindest? Ich würde gerne behaupten, dass es sich hierbei nur um ein Gedankenspiel handelt, das uns die Konsequenzen aufzeigt. Doch Gegen mein Gewissen ist die Geschichte von Hermann Brinkmann und höchstwahrscheinlich von vielen anderen Menschen. Es klingt vielleicht makaber – ist aber keinesfalls so gemeint! – doch ich bin wirklich dankbar, diese Geschichte in der Hand halten zu dürfen. Dass Menschen die Stärke gefunden haben, das alles noch einmal aufzuarbeiten und damit den Betroffenen eine Stimme verleihen und wiederum anderen die Möglichkeit bieten, etwas zu betrachten und zu verstehen, worüber sie sich vorher keine großen Gedanken gemacht haben.
Hannah Brinkmann hat hier als Autorin aber auch als Zeichnerin wirklich Großes geleistet. In Gegen mein Gewissen erzählt sie die Geschichte ihres Onkels, der in den 70er Jahren aufgrund von Gewissensnot den Wehrdienst verweigern wollte und daran gescheitert ist, weil niemand das Ganze so ernst genommen hat, wie es hätte sein müssen. Ein Skandal der Nachkriegszeit und eine tragische Geschichte, bewegend und ergreifend.
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