Rezension | Last Night at the Telegraph Club von Malinda Lo
Titel: Last Night at the Telegraph Club | Autor*in: Malinda Lo | Übersetzer*in: Beate Schäfer | Verlag: dtv | Erscheinungsdatum: 20.04.2023 | Seitenzahl: 448 | Altersempfehlung: ab 14
Die siebzehnjährige Lily wächst Mitte der 50er Jahre in der chinesischen Community von San Francisco auf. Als sie bei einem Schulprojekt Kathleen kennenlernt, wird ihr klar, dass sie anders ist – und anders fühlt – als die anderen Mädchen. Die beiden freunden sich an und besuchen nachts heimlich eine verbotene Lesbenbar, den Telegraph Club. Hier taucht Lily in eine Welt ein, die sie maßlos fasziniert. Und ihr wird klar, dass sie mehr für Kath empfindet.
Doch das Amerika des Jahres 1954 ist kein sicherer Ort für zwei Mädchen, die sich verlieben, schon gar nicht in Chinatown. Als ihre nächtlichen Besuche des Telegraph Club auffliegen, hat dies Folgen für Lilys Familie. Dennoch kann und will sie ihre Liebe zu Kath nicht aufgeben.
Vielen Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars!
Als ich erfahren habe, was sich hinter diesem Cover entdeckt, war ich unglaublich neugierig – doch mit diesem Ergebnis hätte ich nicht gerechnet!
San Francisco der 50’er Jahre
Malinda Lo entführt ihre Leser*innen hier in das San Francisco der 50’er Jahre und schafft es damit nach nur wenigen Seiten eine enorme Atmosphäre aufzubauen. Auch, wenn ein großer Fokus hier auf Chinatown liegt – dem Zuhause von Lily Hu.
Kurz vorm Schulabschluss und tief verankert in der chinesischen Community möchte Lily bloß nicht auffallen und es am besten allen gerecht machen, auch wenn sich schon eine Weile ein kleiner Widerstand in ihr regt. Ob es ihre Kleiderwahl, ihre Wortwahl oder auch ihr Umfeld ist, irgendwo besteht hier doch ein Wunsch nach Ausbruch. Das Ganze beginnt aber zuerst ruhig, was dafür sorgt, dass man erst einmal einen guten Überblick über Charaktere und Situation bekommt.
Stets an Lilys Seite ist Shelby, ihre beste Freundin – unterschiedlicher könnten die beiden jungen Frauen aber kaum sein. Ich muss gestehen, dass Shelby keine wirklichen Sympathiepunkte bei mir sammeln konnte, was aber überraschenderweise gar nicht schlimm war, denn es geht viel mehr um die Sozialisierung, die Erwartungen und Entwicklungen, die gerade auch die jungen Charaktere hier durchlaufen. Dass die beiden Mädchen so fest in ihrer Community verankert sind, hat viel mit Zugehörigkeit aber auch Sicherheit zu tun. Denn die 50’er Jahre waren leider alles andere als „die Zeit“ für die chinesisch-amerikanische Community. Bloß nicht auffallen, erst recht nichts, was gegen jegliche Erwartungen oder Anforderungen verstoßen könnte – sonst droht einem der Pass entzogen zu werden oder es kommt gleich zur Abschiebung. Dass da weniger Raum für eine individuelle Entfaltung geboten wird, ist wohl weniger überraschend.
So viel mehr als ein Jugendroman
Dass es sich hierbei um einen Jugendroman handelt habe ich nicht nur vorher gar nicht so auf dem Schirm gehabt, sondern es beim Lesen auch gar nicht so wahrgenommen. Das Buch ist definitiv auch für eine jüngere Leserschaft ausgelegt, aber keinesfalls so fokussiert, dass auch ältere Leser*innen nicht auf ihre Kosten kommen würden. ganz im Gegenteil – denn dadurch, dass „Last Night at Telegraph Club“ sich nicht nur auf seinen Coming-of-Age Aspekt konzentriert, sondern auch starke queer-historische Züge hat, kann man unglaublich viel mitnehmen aus der Story. Auf der einen Seite eine bunte schimmernde Welt, wie man sich die guten Seiten von San Francisco in den 50’er Jahren vorstellt, allerdings auch die Notwenigkeit der Geheimhaltung der queeren, insbesondere lesbischen Clubszene und der Repressalien, der so viele Menschen ausgesetzt waren.
Zwischen den Kapiteln findet sich immer mal wieder ein Zeitstrahl, da Malinda Lo nicht nur die Geschichte von Lily erzählt, sondern auch noch ein paar Jahre zurückreist, um auch das Leben ihrer Eltern zu beleuchten. Und auch, wenn der Anfang mit der unsicheren Lily Hu, die Raketenforscherin werden will und sich oftmals von Shelby zu Dingen überreden lässt, die sie eigentlich gar nicht will, ein bisschen ruhig war, war er für mich nicht weniger intensiv als die Abschnitte, in der Kathleen Miller in Lilys Leben tritt, die Pilotin werden will und mit ihr gemeinsam das Nachtleben erkundet.
Unglaublich einnehmend, zumindest für mich, vom allerersten Moment an – ich kann so gut nachvollziehen, wieso diese Geschichte so oft ausgezeichnet wurde und kann nur betonen, wie sehr sie mich bewegt und beeindruckt hat. Eine unglaublich tolle Leseerfahrung, von der ich noch lange zehren werde.
Malinda Lo hat hier so viel mehr als „nur“ einen Jugendroman geschaffen – queer-historisch lässt sie ihre Leser*innen ins San Francisco der 50’er Jahre reisen und macht einen intensiven Abstecher nach Chinatown und das Leben der chinesisch-amerikanischen Community.
Unglaublich einnehmend und beeindruckend – eine ganz große Leseempfehlung!
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