Rezension | Medusa und Perseus

Rezension | Medusa und Perseus

Titel: Medusa und Perseus |  Autor*in: André Breinbauer  |  Illustrator*in: André Breinbauer  |  Verlag: Carlsen  |  Erscheinungsdatum: 31.05.2022  |  Seitenzahl: 288 | Altersempfehlung: ab 14

Der Mythos Medusa neu erzählt

War Medusa ein Monster? War Perseus ein Held? Nicht in diesem Comic von André Breinbauer. Der Wende-Comic erzählt den bekannten Mythos aus der Perspektive beider Figuren radikal anders: Medusa ist nicht das Ungeheuer, das aus Bosheit Menschen zu Stein verwandelt. Von einem Gott missbraucht und einer Göttin dafür bestraft ist sie ein zweifaches Opfer der Götter. Perseus hingegen ist noch ein Kind und Spielball der Mächtigen.

Ein Wende-Comic

Das Besondere der Graphic Novel ist zum einen, dass sie von beiden Seiten gelesen wird. In der Mitte treffen Medusa und Perseus sowie ihre Geschichten aufeinander. Zum anderen sorgt ein feministischer Blick auf den Mythos dafür, dass der Comic sich grundlegend von anderen Medusa-Interpretationen unterscheidet.

André Breinbauer war mit »Medusa und Perseus« Finalist des Comicbuchpreises 2021 der Berthold Leibinger Stiftung. In seinem Graphic Novel-Debüt widmet er sich einer seiner Lieblingsfragen: Wer ist hier eigentlich wirklich Held*in und wer Monster?

Vielen Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars!

Allein die Covergestaltung hat mich hier schon so neugierig gemacht, ganz davon abgesehen, dass ich die griechische Mythologie auch immer wieder reizend finde.

Wendecomic

Die Leben von Medusa und Perseus kreuzen sich unweigerlich in der Geschichte, auch wenn der Großteil jeweils ohne den anderen auskommt. Dennoch sind die Schicksale miteinander verknüpft, wodurch sich André Breinbauer hier für einen ziemlich passenden Stil entschieden hat.
Denn bei Medusa und Perseus handelt es sich um einen Wendecomic, bei dem Leser*innen selbst entscheiden können, mit welcher Geschichte sie starten möchten, bis es auf der Splashpage zum großen Zusammenstoß kommt. Danach einfach den Comic wenden und mit der anderen Story starten. Eine wirkliche Empfehlung, womit man starten sollte, gibt es übrigens nicht, das ist euch selbst überlassen.

Wer auf die Geschichte ein wenig emotionaler reagiert/ reagieren könnte – so wie ich – dem würde ich Perseus Sicht als Start empfehlen, ich habe es leider andersherum gemacht und konnte Perseus dadurch noch weniger Sympathie entgegenbringen.
Ein bisschen Vorwissen in der griechischen Mythologie kann hier schon hilfreich sein, auch wenn ich glaube, dass man kein Ass sein muss. Es ist eher die Wirkung, die anders kommt.
Vor allem bekannt ist nämlich die Version der Medusa, in der sie bei einem „Liebesspiel“ mit Poseidon von Athene erwischt wird, die sie aus Eifersucht dann in die Gorgonin verwandelt, für die sie heute bekannt ist.
André Breinbauer stützt sich aber auf die Ovid Version (römischer Dichter), in der Medusa von Poseidon vergewaltigt wird, was all den Schmerzen und die Strafen, die sie erleiden musste, noch so viel schlimmer machen.

Zeichnungen @André Breinbauer | Carlsen

Wer ist hier das Monster?

Genau das ist die Frage, auf die der Autor und Zeichner hinausmöchte. Bei diesem Comic handelt es sich nicht wirklich um eine Neuinterpretation (was bei all den Versionen zu dieser Mythologie auch gar nicht so einfach wäre), sondern viel eher um einen ganz bewussten Fokus. Wieso wurde Medusa so gestraft, nur um dann als Monster dazustehen? Medusa hat auch in feministischen Bewegungen ihren Platz gefunden, auch wenn sich hier oft die Gemüter streiten, ob Medusa nicht eher für all das Schlechte steht. Und auch ich merke gerade, wie sehr mich dieser Comic und der angespielte Fokus immer noch bewegt. Medusas Perspektive, auch mit ihrem Sohn Pegasus ist so voller Schmerz, dass es mir echt das Herz zerrissen hat, gerade im Hinblick auf das Bevorstehende Ende.

Bis hierhin fand ich die Arbeit auch sehr mitreißend und mal ganz anders geschildert. Allerdings ist es gar nicht die Absicht des Künstlers Perseus hier als Monster darzustellen, sondern als Opfer der Umstände, ein Spielball der Mächtigen. Spätestens bei Medusas Aussage „Er ist ja noch ein Kind!“ war ich einfach fix und fertig.
Tatsächlich fand ich aber, dass es die Tat von Perseus, und ich meine wir reden von der Enthauptung Medusas, unglaublich runterspielt, so als wenn er dafür gar nichts gekonnt, als wenn er das Schwert nicht selbst geführt hätte. Dass auch eher Beweggründe hatte, alles vollkommen richtig, doch irgendwie hat mich Medusas Schicksal durch diese „Nichtschuld“ nur noch mehr getroffen.

So oder so aber dennoch wirklich ein interessantes Werk, das mich auch gerade visuell sehr begeistern konnte. Inhaltlich hat es mich dafür sehr zum Nachdenken angeregt und auch, wenn ein paar Darstellungen nicht ganz meinem Geschmack entsprochen haben, so hat das Gesamtpaket eine ordentliche Wirkung bei mir hinterlassen.

Zeichnungen @André Breinbauer | Carlsen

Allein visuell hat mich Medusa und Perseus von André Breinbauer sehr begeistert. Mit der großen Frage, wer hier wirklich das Monster ist, stützt sich der Künstler mehr auf die Ovid-Version aus diesem Abschnitt der griechischen Mythologie und bietet viele Denkanstöße, die mir zwar nicht alle gefallen, mich aber sehr bewegt haben – definitiv einen Blick wert!

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