Rezension | The Mothers von Polly Ho-Yen

Rezension | The Mothers von Polly Ho-Yen

Titel: The Mothers – Sie müssen perfekt sein oder der Staat nimmt ihnen ihr Kind | Originaltitel: Dark Lullaby | Autor*in: Polly Ho-Yen | Übersetzer*in: Sonja Rebernik-Heidegger | Verlag: Piper | Erscheinungsdatum: 30.03.2023 | Seitenzahl: 432

England in der Zukunft: 99 % der Frauen sind unfruchtbar. Nur durch gefährliche medizinische Verfahren ist es ihnen noch möglich, schwanger zu werden. Doch auch dann können sie ihr Mutterglück nicht genießen: Die totalitäre Regierung überwacht alle Eltern und entreißt ihnen beim kleinsten Fehltritt ihr Kind. Daher will Kit keine Kinder – bis sie sich verliebt. Als ihre Tochter Mimi auf die Welt kommt, scheint ihr Glück perfekt. Dann jedoch erhält Kit eine Verwarnung nach der anderen und steht kurz davor, Mimi an den Staat zu verlieren. Aber Kit wird um Mimi kämpfen. Koste es, was es wolle …

Vielen Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars!

Als ich den Titel entdeckt habe, war ich direkt unglaublich neugierig und konnte mir die Story einfach nicht entgehen lassen!

Die Kinderfrage

Ich muss zugeben, dass neben meiner Vorfreude auf das Buch auch kein allzu kleiner Teil Skepsis mit am Start war. Ich bin eine große Verfechterin davon, dass Kinder zwar das größte Glück der Welt sein können, sie aber keine Notwenigkeit sind, um ein Leben lebenswert zu machen. Und dementsprechend bin ich auch sensibilisiert was die Frage „Willst du Kinder haben?“ angeht. Jetzt finden wir uns hier in einem Szenario wieder, dass eventuell doch in eine andere Richtung hätte gehen können, gerade wenn auch aus der Perspektive einer Mutter berichtet wird, allerdings finde ich, dass Polly Ho-Yen mit dem richtigen Feingefühl herangegangen ist, um alle Parteien zu respektieren und ihnen Raum zu geben.

Wir finden uns in einem dystopischen Zukunftsszenario in Großbritannien wieder – über 99% der Frauen sind unfruchtbar und man muss kein Mathegenie sein, um zu erkennen, wie es um unsere Weltbevölkerung aussieht. Doch die Menschheit lässt sich nicht so schnell vertreiben, erst recht nicht der Staat und so wurden die Induktionen entwickelt, ein Befruchtungsvorgang, den sich Frauen unterziehen sollen, um eben doch noch Kinder zur Welt zu bringen. Allerdings birgt dieser Weg nicht nur reguläre medizinische Gefahren, sondern ist auch nicht unbedingt selten tödlich. Keine große Versuchung, oder? Aber dem kann man ganz gut Abhilfe schaffen, indem man Frauen einfach noch weiter degradiert und ihnen das Leben zur Hölle macht, wenn sie sich gegen das Kinderkriegen entscheiden. Und wie sollte es anders sein, nicht einmal wenn sie sich dafür entscheiden und alles klappt haben sie ihre Ruhe.

Mehr Thriller als Dystopie

Die Idee hinter dem Buch hat mir enorm gut gefallen und auch die Herangehensweise der Autorin. Dass man wohl nie allen gerecht werden kann ist einfach so und auch alles unter einen Hut zu bringen ist eine große Herausforderung, doch ein paar Abstriche, die hier gemacht wurden, waren wirklich schade.
Mehr als kleine Andeutungen, wie sich die Gesellschaft unabhängig von diesem Thema entwickelt hat, gibt es nämlich nicht, was zwar für einen ausgeprägten Fokus auf die Hauptthematik sorgt, allerdings dem eigentlichen Dystopie Genre nicht ganz gerecht wurde und somit eventuell sogar eher in die Spannungs-Thriller-Richtung fällt. Das muss keinesfalls schlimm sein, doch für Genreliebhaber*innen könnte das zur kleinen Enttäuschung werden.

Ansonsten wird die Geschichte von Kit erzählt, aus zwei komplett unterschiedlichen Perspektiven – die aktuelle, in der sie nicht nur Mutter geworden, sondern ihr Kind ihr auch schon weggenommen wurde und eine aus der Vergangenheit, als sie noch als überzeugte OUT gelebt hat. Also als eine Frau, die sich offen gegen das Kinderkriegen entscheiden hat. Zum einen, weil ein Kind für sie nicht „die“ Erfüllung ist, aber auch weil das Risiko für den medizinischen Vorgang unverhältnismäßig ist, vor allem aber, weil sie mitbekommt, wie sehr die jungen Eltern unter der Überwachung und den daraus resultierenden Konsequenzen leiden. Beide Perspektiven sind gut ausgefeilt und bieten ganz unterschiedliche Blickwinkel, die gerade für das Finale enorm viel Spannung erzeugen. Für das Gesamtpaket hätte ich mir allerdings noch mehr Seiten gewünscht, um dem ganzen Worldbuilding ein wenig gerechter zu werden – so bereits eine Leseempfehlung, gerade auch für Fans von „Report der Magd“, doch ansonsten hätte es absolutes Highlight Potenzial für mich gehabt.

Mit „The Mothers“ hat Polly Ho-Yen nicht nur eine unglaublich interessante Thematik aufgegriffen, sondern auch besonders viel Feingefühl in der Umsetzung bewiesen, was mich total begeistert hat. Lediglich der eigentliche „Dystopie-Faktor“ für das gesamte Setting ist leider ziemlich kurz gekommen, was man durchaus verkraften kann, wenn man kein große Genregeek ist, aber vorher bewusst sein sollte.

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