Rezension | Turmschatten von Peter Grandl
Titel: Turmschatten | Autor*in: Peter Grandl | Verlag: Piper | Erscheinungsdatum: 28.07.2022 | Seitenzahl: 592
Der große Gesellschaftsthriller, über den man 2022 reden wird!
Ein spektakuläres Verbrechen hält eine Kleinstadt in Atem: Drei Neonazis werden in einem Turm gefangen gehalten. Ephraim Zamir, der Geiselnehmer, konfrontiert sie in einem Verhör mit ihren Gewalttaten und überträgt das Ganze live im Netz. Die Zuschauer sollen abstimmen: freilassen oder hinrichten? Es ist der Beginn eines weltweiten Medienspektakels. Für die Polizei ist es ein Wettlauf gegen die Zeit. Womit sie nicht rechnen: Sie haben es mit einem ehemaligen Mossad-Agenten zu tun, der nicht bereit ist zu verhandeln.
Hochspannend und brandaktuell – Peter Grandls grandioser Reihenauftakt!
Vielen Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars!
Wem der Titel bekannt vorkommt: genau, dieser ist bereits Anfang 2020 erscheinen und nun noch einmal überarbeitet. Das erste Mal ist er an mir vorbeigegangen, aber nun habe ich endlich aufgeholt!
Realität & Fiktion
Vorweg: Das Gesamtpaket, das hier von Peter Grandl geschildert wird ist natürlich Fiktion, doch tatsächlich bedient sich der Autor hier auch einigen geschichtlichen Fakten, die die Geschichte nicht nur authentischer wirken lassen, sondern leider auch viel beängstigender.
Zu Beginn gibt es einen Rückblick, der aufzeigt, wie der Turm als Setting schon 1945 eine tragende Rolle gespielt hat – als bei der Bombardierung ein Mann beschließt, lieber seine eigene Rettung zu sichern, als allen betroffenen Menschen eine Chance auf Überleben zu sichern.
Es ist nicht nur der Bezug zum Nationalsozialismus, sondern auch Attentate und die leider sehr wahren Wahlergebnisse der NPD, die hier mit eingeflossen sind und unsere Realität zeigen. Doch nun wurde ein wenig weitergesponnen. So spielt eine Gruppe von Neonazis eine entscheidende Rolle und daneben Ephraim Zamir, der den Holocaust überlebt hat und jahrelang als Mossad Agent gearbeitet hat. Im hohen Alter ist er nach Deutschland zurückgekehrt und hat den Turm zum neuen Leben erweckt, doch sein Geld soll auch in die neue Synagoge fließen, was so manchen Parteien gar nicht gefällt. So stürmen Männer aus rechtsextremen Kreisen sein Zuhause und ermorden Esther, die viel mehr als nur eine Haushälterin für Ephraim war, wodurch dieser nun auf Rache sinnt und die Rechtsprechung selbst in die Hand nehmen will.
Wenn die Entscheidung in deiner Hand liegt
Und auch, wenn die Handlung geradezu „Selbstjustiz“ schreit, ist es nicht Ephraim allein, der über das Schicksal der drei Männer in seinem Turm entscheiden will. Vielmehr ruft er die Menschheit dazu auf, über Situation zu entscheiden, wodurch ein Live-Voting entsteht. Die Männer bekommen eine Chance ihre Lage zu schildern, doch der Sachverhalt scheint ziemlich klar.
Natürlich bringen Themen wie die „Todesstrafe“ immer viel Entsetzen mit sich, doch die furchtbaren Taten der Männer eben auch und so ist es ein ziemliches Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen „Freilassung“ und „Hinrichtung“. All diese Themen bieten einige Denkanstöße, auch neben all der Spannung, wodurch es auch bei Leser*innen selbst im Kopf auf Hochtouren läuft. Die Grenzen zwischen „Richtig“ und „Falsch“ scheinen immer mehr zu verlaufen und stellen alle Beteiligten auf eine harte Probe.
Ich muss zugeben, dass ich ein wenig Angst hatte vor der Umsetzung. Vor der Täter-Opfer-Umkehr. Aber ich muss sagen, dass bis auf ein paar kleinere Passagen mich der Autor nicht nur überraschen, sondern auch überzeugen konnte. Alle mitspielenden Charaktere scheinen ihren Teil zu dieser Situation mit beigetragen zu haben und erweitern ein beschränktes Sichtbild. Ob es nun die Bewährungshelferin ist, die Angst hat, dass sie früher hätte reagieren müssen oder auch die Berichterstattung, die die Teilnahme am Voting nur noch mehr anregt.
Zeitgleich gelingt dem Autor hier viele Aspekte mit einzubauen, die auf der einen Seite wichtige Themen liefern, die zu oft vergessen werden, auf der anderen Seite schafft er es aber auch genau damit zu unterhalten, ohne die Thematik morbide auszuschlachten. Definitiv einen Blick wert!
Mit Turmschatten hat Peter Grandl einen gesellschaftskritischen Thriller abgeliefert, der es in sich hat. Die Grenzen zwischen „Richtig“ und „Falsch“ verlaufen immer mehr miteinander und stellen alle beteiligten auf die Probe – was würdest du tun, wenn du nicht nur Kläger, sondern auch Richter und eventuell auch Henker wärst?
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