Rezension | Wilder Girls von Rory Power
Titel: Wilder Girls | Originaltitel: Wilder Girls | Autor*in: Rory Power | Übersetzer*in: Andrea Bottlinger | Verlag: Piper | Erscheinungsdatum: 01.09.2022 | Seitenzahl: 352
Seit achtzehn Monaten steht das Mädcheninternat von Raxter Island unter Quarantäne, denn eine gefährliche Seuche hat sich ausgebreitet: Bei den Schülerinnen löst sie grausige Mutationen aus, die Lehrerinnen starben eine nach der anderen. Die Natur auf der Insel ist wild und unberechenbar geworden. Zum Überleben braucht man Freundinnen, die alles für einen tun würden – so wie Hetty und Reese für Byatt. Denn als Byatt verschwindet, beginnen die beiden eine verbotene Suche, bei der sie auf grausamere Wahrheiten stoßen, als sie es sich je hätten ausmalen können …
Vielen Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars!
Ich habe mich sooo unfassbar gefreut, als die Übersetzung angekündigt wurde, sodass ich mir das Buch unmöglich entgehen lassen konnte, auch wenn die Freude dann ein wenig getrübt wurde.* (Mehr dazu am Ende des Beitrages.)
Ohne Hoffnung
Interessanterweise erleben wir hier nicht den „Untergang der Welt“, sondern schlittern quasi direkt zum Ende, denn das kam ziemlich schnell. Nachdem „Tox“ ausgebrochen ist, wurde das Mädcheninternat Raxter Island vor 18 Monaten unter Quarantäne gestellt. Die Seuche löst Mutationen bei den Betroffenen aus und nimmt tödliche Ausmaße an. So sind schon einige der Mädchen und fast alle Lehrerinnen gestorben. Jetzt ist die Spannung natürlich groß, wie es überhaupt dazu kam und die Autorinnen wirft immer mal wieder kurze Einblicke in die Vergangenheit und ein paar Erklärungen mit ein, doch im Großen und Ganzen bleibt man auf dem gleichen Stand die Charaktere – Selbstbeobachtung, aber wenig Erkenntnisse.
Irgendwann ereilt es alle Mädchen und kommt immer mal wieder in Schüben, doch die Mutationen sind bei allen unterschiedlich. So hat Hetty ein Auge verloren, wofür sich aber etwas anderes in der Augenhöhle entwickelt hat, Reese hat einen schuppigen Arm bekommen und Byatt eine zweite Wirbelsäule. Doch das Tox macht auch nicht vor der Tierwelt halt, wodurch der große Zaun dem Internat nur ganz recht kommt, denn mittlerweile kann selbst ein Reh den absoluten Tod bedeuten.
Nach anderthalb Jahren gibt es eigentlich keine große Hoffnung mehr unter den Mädchen, jeder Tag eine Tortur, gezeichnet vom starken Überlebenswillen und der rauen Wahrheit. Als dann Byatt aus dem vermeintlich unzertrennlichen Dreiergespann verschwindet, wagen sich Hetty und Rees doch vor, brechen die Regeln und wollen fürs Leben kämpfen. Doch ihre kleine hält mehr Gefahren und dunkle Geheimnisse für sie parat, als sie befürchtet hatten…
Genretypische Atmosphäre
Bei Wilder Girls handelt es sich nicht nur um eine Dystopie, die Geschichte weist auch so manche Mystery und Horrorelemente auf, die manche Leser*innen vielleicht abschrecken könnten, gerade durch den rauen Ton. Keine der drei Protagonistinnen sind die typischen Anwärterinnen auf Herzenscharaktere. Viel eher haben selbst die drei besten Freundinnen eine ziemlich verquere und teils brutale Beziehung zueinander. Doch was soll man auch anderes in solch einer Welt erwarten? Dadurch finde ich diese grob- und Distanziertheit nicht nur genretypisch, sondern meist auch sehr authentisch, kann aber sehr gut nachvollziehen, wenn andere damit nicht warm werden.
Die Geschichte wird aus Hettys und Byatts Perspektive geschildert, was nicht nur den Hauptstrang verdeutlicht, sondern auch Schlüsse auf Byatts Verbleib schließen lassen. Es ist teils eine sehr niederschmetternde und traurige Geschichte, auf der anderen Seite aber auch unglaublich stark. Und manchmal, ja manchmal auch durchaus ein wenig gruselig. Auch ich konnte nicht immer jede Handlung nachvollziehen oder gutheißen, muss aber gestehen, dass mich das Gesamtpaket schon sehr gefesselt und überzeugt hat. Eine Geschichte, die komplett ohne Prinz in silberner Rüstung auskommt, sondern mit Frauenpower und queerer Repräsentation punktet. Die folgende Kritik an der Autorin macht mich immer noch wütend, weil ich das Buch gerne allen ans Herz gelegt hätte, so bleibt aber ein kleiner Wehmutstropfen neben den interessanten Lesestunden bestehen.
*Die Autorin Rory Power ist unter anderem neben Emily Duncan 2021 für rassistisches Verhalten/Mobbing aufgefallen. Danach hat sie sich entschuldigt und sich von diesem Auftreten distanziert.
Dies soll nicht bedeuten, dass ihr die Bücher von ihr nicht lesen sollt, sondern einfach den Background schildern und die Möglichkeit zum Reflektieren bieten.
Mit Wilder Girls hat Rory Power eine raue Dystopie mit Horror Vibes hingelegt, die durch Frauenpower und queere Repräsentation punkten kann und tief unter die Haut geht. Spannende Lesestunden werden hier auf jeden Fall garantiert. Gerade auch der Reiz teils im Ungewissen bleiben zu müssen und nicht auf alle Fragen eine Antwort zu erhalten, hat für mich hier einen besonderen Charme ausgemacht.
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AUCH REZENSIERT VON: Bookishmoonlight | Buchperlenblog | My Library of Dreams
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