Rezension | Zweiunddieselbe von Mary E. Pearson
Titel: Zweiunddieselbe – Das vergessene Leben der Jenna Fox | Originaltitel: The Adoration of Jenna Fox | Autor*in: Mary E. Pearson | Übersetzer*in: Gerald Jung & Katharina Orgass | Verlag: Fischer Kjb | Erscheinungsdatum: 24.03.2021 (Neuauflage) | Seitenzahl: 336 | Altersempfehlung: ab 12
Körperlich unversehrt, aber ohne Erinnerung erwacht Jenna aus dem Koma. Verzweifelt versucht sie herauszufinden, wer sie einmal war. Denn der Mensch, als den ihre Eltern sie beschreiben, bleibt ihr fremd. Die Wahrheit, der sie schließlich Stück für Stück auf die Spur kommt, ist ungeheuerlich: Jenna hatte einen furchtbaren Unfall – und ihre Eltern haben alles medizinisch Mögliche getan, um sie am Leben zu erhalten. Doch ist sie wirklich noch dieselbe? Ein aktueller Roman über ethische Fragen in einer zukünftigen Welt voller medizinischer Fortschritte – hochspannend bis zur letzten Seite.
Vielen Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars!
Hier hat mich nicht nur die Geschichte an sich neugierig gemacht, sondern eben auch die Autorin, die dahinter steht und mich schon mit ihren anderen Büchern begeistern konnte.
Man hat so eine Ahnung
Eigentlich ist die Geschichte schon einige Jahre alt, doch mir persönlich ist sie bisher nicht aufgefallen, was wohl einigen so ging. Die Autorin Mary E. Pearson hat sich vor allem mit ihrer Fantasy Reihe Die Chroniken der Verbliebenen einen Namen gemacht, wodurch die Neuauflage von Zweiunddieselbe hoffentlich nochmal für mehr Aufmerksamkeit sorgt. Dass die Autorin schreiben kann, aber auch einen etwas spezielleren Stil hat, wusste ich bereits, finde es aber gerade für diese Geschichte umso passender. Dass einige damit ein Problem haben könnten, da der Stil nicht ganz so zugänglich erscheint, kann ich allerdings auch nachvollziehen.
Jenna Fox erwacht und nichts ist mehr so, wie es war. Im Gegenteil, die junge Frau hat nicht nur vergessen, wie ihr Leben vorher war, sondern auch viele Begriffe und Emotionen sind ihr ein komplettes Rätsel. Da die Geschichte aus der Ich-Perspektive geschrieben ist, wirkt das alles um einiges authentischer und auch als Leserin kam ich mir manchmal ein wenig unbeholfen und sehr distanziert vor. Im Groben kann man sich zwar schon vom Klappentext her ableiten, worum es geht, doch Mary E. Pearson hat, zumindest für mich, viele Aspekte mit eingebaut, an die ich vorher gar nicht gedacht hätte und die mich sehr positiv überrascht haben.
Dennoch hab ich schnell eine gewisse Ahnung gehabt – nicht nur, in welche Richtung die Geschichte geht, sondern auch, was auf einen zukommt und was dahinter steckt. Zu meiner eigenen Überraschung muss ich aber sagen, dass es keinesfalls dem Spannungsaufbau geschadet hat, denn die Enthüllungen an sich waren unglaublich emotionsgeladen. Was gerade im Bezug auf Jennas Zustand und den oftmals eher fehlenden Empfindungen, bzw das Neuentdecken derer einen gewissen Reiz ausgemacht hat und sehr spannend zu verfolgen war.
Eine wirkliche Lovestory war für mich nicht vorhanden, doch eine Ahnung dessen. Doch hier liegt auch einfach der Fokus woanders, sodass ich sehr froh bin, dass sich die Autorin so entscheiden hat, denn alles andere hätte zu sehr vom eigentlichen Thema abgelenkt. Es ist vielmehr das Zwischenmenschliche auf das es hier ankommt und das eine enorme Wirkung hat.
Ethik & Medizin
Ich merke immer wieder, wie ich vor 10-15 Jahren auch immer das Gefühl hatte, dass ich innerhalb meines Lebens noch unfassbare Fortschritte erleben werde. An sich wird es auch genauso der Fall sein, nur eben höchstwahrscheinlich nicht annähernd so Science Fiction mäßig, wie ich es damals vermutet habe. Ich glaube, da liegen eher Jahrhunderte als Jahrzehnte in einer realen Rechnung. Dennoch wirkt das Konzept hier nicht utopisch. Der medizinische Fortschritt ist unumstritten, doch gerade die ethischen und moralischen Fragen in dieser Entwicklung bremsen vieles aus, das ist keinesfalls negativ gemeint, denn es ist ein unglaublich wichtiger Faktor.
Wie weit darf man in einer Forschung gehen? Ist es rechtens unsere Moralvorstellung über Bord zu werfen, „nur“ weil die Hoffnung besteht, dass wir damit etwas Größeres erreichen?
Genau diese Fragen kommen hier auf den Tisch, auch wenn die Forschung selbst hier nicht so sehr im Fokus steht, sondern schon eher die Umsetzung. Ein System, was den Menschen vieles ermöglicht, aber eben auch klare Grenzen aufweist. Ob aus Chancengleichheit oder der Angst, was passieren würde, wenn man diese Grenze überschreitet steht eher in der Luft, wird aber auch angeschnitten.
So werden hier beide Seiten vorgestellt und jede für sich betrachtet weist ganz klar ihre Berechtigung auf, doch es ist eben nicht immer nur alles schwarz und weiß. Ich für meinen Teil war unglaublich angetan von der Story, es ist kein Wohlfühlbuch und wirft einige unangenehme Fragen auf und eine unangenehme Situation folgt der nächsten, doch es schafft Anreize zum Nachdenken und bleibt einfach im Kopf. In meinen Augen sind das unglaublich wichtige Fragen, die uns vielleicht nicht gerade jetzt betreffen, aber doch gesellschaftlich eine große Relevanz spielen. So wird das eigentliche Thema noch einige Zeit auf sich warten lassen, doch die ganze Thematik rückt auch Fragen für andere Bereiche auf.
Ich bin unglaublich froh, dass es eine Neuauflage von Mary E. Pearsons Zweiunddieselbe gibt und ich somit auf die Geschichte gestoßen bin. Eine Story, die teilweise so komplett anders ist, sich aber auch genau dadurch auszeichnet. Für mich hatte das Buch eine unglaubliche Wirkung, spannend und unangenehm zugleich – gerade dadurch, dass es so viele Denkanstöße gibt. Das Zusammenspiel von Ethik, Moral und Medizin ist nicht immer ein leichtes, aber eben auch nicht schwarz und weiß. Wer hier schon neugierig geworden ist, der sollte sich die Geschichte auf keinen Fall entgehen lassen.
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