LGBTQ+ Comic-Tipps | Auf einem Sonnenstrahl, Dragman, Melek + Ich & Steinfrucht

LGBTQ+ Comic-Tipps | Auf einem Sonnenstrahl, Dragman, Melek + Ich & Steinfrucht

Diversität ist auch in Literatur unglaublich wichtig und erreicht zum Glück immer mehr Repräsentation. Gerade auch im Comic Bereich gibt es hier viele tolle Geschichten zu entdecken, vier recht druckfrische und ganz besondere Comics habe ich nun hier für euch im Gepäck!

Auf einem Sonnenstrahl

Titel: Auf einem Sonnenstrahl | Autor*in: Tillie Walden | Übersetzer*in: Barbara König | Illustrator*in: Tillie Walden | Verlag: Repdrodukt | Erscheinungsdatum: 04.03.2021 | Seitenzahl: 544

Mia ist das neueste Mitglied an Bord eines Raumschiffs, dessen Mannschaft zerfallene Weltraumarchitektur restauriert. Für Mia wird die Gemeinschaft schnell zu einer zweiten Familie, doch die Erinnerungen an ihre Zeit im Internat, als sie sich in die geheimnisvolle neue Schülerin Grace verliebte, lassen sie nicht los. Zusammen macht die Crew sich auf zu einer gefährlichen Reise ans Ende der Galaxie…

“Auf einem Sonnenstrahl” ist sowohl queere Coming-of-Age-Story als auch die Geschichte über den Verlust einer großen Liebe. In einem intergalaktischen Abenteuer entführt uns Tillie Walden in eine üppige Fantasiewelt.

“Auf einem Sonnenstrahl” wurde 2018 mit dem renommierten L.A. Times Book Prize ausgezeichnet und von “Publishers Weekly” und der “Washington Post” unter die 10 besten Bücher des Jahres gewählt.

Vielen lieben Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars!

Tillie Walden ist sicherlich schon einigen von euch ein Begriff – mit Pirouetten hat sie mich als Leserin damals gleich im Sturm erobert. West, West Texas war mir persönlich ein wenig zu abstrakt, dennoch habe ich mich wahnsinnig auf ihr neues Werk Auf einem Sonnenstrahl gefreut. Und was soll ich sagen? Scheinbar hat sie hier das Beste miteinander vereint, ich bin immer noch ein wenig sprachlos.
Tillie Walden hat nicht nur fantastische Ideen im Kopf, sie ist unglaublich begabt im Umgang mit Sprache und kombiniert dies mit einnehmenden Zeichnungen, die atmosphärisch sind und ihre Geschichten ganz grandios vermitteln.

Zeichnungen @ Tiellie Walden | Reprodukt

Was hier als Web-Comic begann hat ein unglaubliches Ausmaß angenommen. Die Geschichte switcht zwischen zwei Perspektiven, der einen, in der Mia noch ein junges Mädchen auf einem Internat ist, nicht so recht reinzupassen scheint und oft unglücklich ist. Bis sie Grace kennenlernt und somit ihre große Liebe. Die andere beschäftigt sich mit der Gegenwart, in der sich Mia einer Crew angeschlossen hat, die durch den Weltraum reist und abgelegene Stationen und Bauwerke restauriert. Beide Geschichten laufen aufeinander zu, denn Grace und Mia sind mittlerweile voneinander getrennt, doch das ist noch lange nicht das Ende.

Mit unglaublich viel Liebe und Detail baut Tillie Walden hier nicht nur eine fantastische visuelle Utopie auf, in der man sich verlieren könnte, sondern schafft es vor allem menschlich uns meilenweit voraus zu sein. Mit einer Selbstverständlichkeit und ganz viel Respekt, wird hier ganz vielen unterschiedlichen Charakteren Raum und eine Repräsentation geboten, wie man es sich nur wünschen kann. Sexuelle Orientierungen und Geschlechtsidentitäen haben hier Raum zur freien Entfaltung, ohne, dass sie anecken. Für mich war die Geschichte von der ersten bis zur letzten Seite ein wahres Highlight – ich habe die Geschichte geleibt, ich habe die Zeichnugnen geliebt und mich absolut in diesem Comic verloren!

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AUCH REZENSIERT VON: Bella’s Wonderworld | Im Buchwinkel


Dragman

Titel: Dragman | Autor*in: Steven Appleby | Übersetzer*in: Ruth Keen | Illustrator*in: Steven Appleby | Verlag: Schaltzeit Verlag | Erscheinungsdatum: 06.05.2021 | Seitenzahl: 336

Dragman ist kein gewöhnlicher Superheld. Um fliegen zu können, muss er in Frauenkleider schlüpfen. Aber er will seinen Ruf als guter Ehemann und liebevoller Vater nicht aufs Spiel setzen, obwohl er es über alles liebt, sich Frauenkleider überzuziehen. Ein ziemliches Dilemma für diesen Helden, der durch sein Auftreten das gesamte Superhelden-Genre unwiderruflich in Aufruhr versetzt, als er ein kleines Mädchen rettet, das vom Dach des Londoner Kunstmuseums fällt. Nun muss er sich nicht nur gegen Macho-Superhelden, sondern auch seine eigenen Selbstzweifel und einen Serienkiller behaupten, um sich selbst, seine Ehe und die menschliche Seele zu retten.

Als Cartoonist wurde Steven Appleby in Großbritannien berühmt. Seine brillante, lebhafte und knorrige Linie etablierte ihn als einen der besten britischen komischen Künstler. Nach der Ver­öffentlichung von verschiedenen Anthologien liefert er nun mit Dragman sein Meisterstück ab. Eine einzigartige Mischung aus packendem Graphic-Thriller und Superhelden-Comic, der vieles gleich-zeitig ist: lustig, tiefgründig, bewegend, philosophisch, sozialkritisch und intim.

Ausgezeichnet mit dem Sonderpreis der Jury beim Internationalen Comicfestival 2021 in Angoulême (Frankreich).

Vielen lieben Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars!

Mit Dragman hat mir Steven Appleby etwas wirklich Neues geboten, von dem ich gar nicht so recht wusste, was mich erwarten würde, was mich dadurch nur umso mehr gefesselt und überrascht hat.
Steven Appleby war ebenfalls Crossdresser und hat lange Zeit gebraucht, um seinen Weg für sich zu finden, mit dem er glücklich ist. Mittlerweile lebt er als trans Frau, nutzt aber weiterhin seinen Namen und auch männliche Pronomen – aber wie er selbst so schön sagt „Regeln muss es doch keine geben, oder?“ und genau darum geht es. Sich selbst zu finden und glücklich zu sein.

Zeichnungen @Steven Appleby | Schaltzeit Verlag

In Dragman geht es nun um August Crimp, der mit Sicherheit auch einige Züge des Autors annimmt, aber deswegen nicht nach ihm geschaffen wurde. August merkt schon als Kind, dass er sich viel lieber als „ein Mädchen sehen würde“, was allerdings von der Mutter gleich unterbunden wird. In seiner Jugend findet er durch Zufall einen Seidenstrumpf in der Sofaritze und zieht sich diesen ohne groß darüber nachzudenken einfach an – Bühne auf für Dragman!
Denn in dem August „Frauenkleider“ trägt, erhält er Superkräfte und wird zu Dragman.

So beginnt sich für August eine neue Welt zu öffnen, in der er endlich er selbst sein kann. Neben tollen Charakteren, die ihm zur Seite stehen, stößt er aber auch auf große Ablehnung. (Als Dragman werden weibliche Pronomen genutzt)
Gerade auch in der Superheld*innen Runde ist lngst nicht alles so offen und sozial eingestellt, wie man annehmen sollte, was August oft aufstößt. So kommt es dazu, dass seine Kleider auf dem Dachboden landen, er eine Frau kennenlernt, sich verliebt und einen Sohn bekommt. Doch wie der Zufall es will, wird Dragman gebraucht!
Immer mehr Crossdresser verschwinden und die Flle scheinen unterzugehen, da gerade auch die Doppelleben für wenig Anhaltspunkte sorgen, aber ebenso wenig Interesse von manchen Seiten aufzukommen scheint, diesen Fällen nachzugehen. Da muss August sich entscheiden, denn seine Frau weiß nichts von seiner anderen Seite und somit auch nicht von seiner Vergangenheit.

Dragman ist unglaublich intensiv geschrieben und nimmt ein Ausmaß an, das wesentlich mehr einem Roman gleicht. Der Textanteil in den Panels selbst ist dabei eigentlich überschaubar, doch es gibt auch immer mal reine Textseiten – es ist vor allem der Aufbau der Story, der wirklich viel Raum einnimmt, sodass es einem wie ein wesentlich höheres Pensum als von gewohnten Comics vorkommt. Es geht um Selbstfindung, Akzeptanz und den eigenen Weg. Dabei müssen gar nicht immer Schubladen, Labels & Co. herhalten, es geht darum, einfach man selbst zu sein.
Die Geschichte ist übrigens ab 18 empfohlen, was aufgrund der Gewalt teilweise definitiv nachzuvollziehen ist.
Der Zeichenstil wäre eigentlich keiner, der mich im ersten Moment wirklich ansprechen würde, doch nach und nach habe ich mich immer mehr in ihn verliebt und fand ihn unglaublich passend zur Story. Eine ganz große Empfehlung und eine Geschichte, die mir so schnell nicht mehr aus dem Kopf gehen wird!

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AUCH REZENSIERT VON: Im Buchwinkel


Melek + Ich

Titel: Melek + Ich | Autor*in: Lina Ehrentraut | Illustrator*in: Lina Ehrentraut | Verlag: Edition Moderne | Erscheinungsdatum: 04.03.2021 | Seitenzahl: 240

Nici ist Wissenschaftlerin und betrinkt sich gern in der Bar nebenan. Heimlich baut sie Melek, einen Körper, mit dem sie in parallele Dimensionen reisen kann. In einer dieser Dimensionen begegnet sie in Meleks Körper Nici — also sich selbst — und geht mit ihr eine Beziehung ein.
Lina Ehrentraut entführt in ihrem Début in einer Mischung aus Romanze, Sci-Fi und Charakterdrama in eine Parallelwelt, in der alles sorglos möglich scheint: Doppelidentitäten, queere Beziehungen und Selbstliebe. Doch für wie lange? Gekonnt leitet Lina Ehrentraut in schwarz-weissen Comicsequenzen und atmosphärischen bunten Malereien durch die unterschiedlichen Erzählebenen.

Vielen lieben Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars!

Tatsächlich muss ich gestehen, dass ich bei Melek + Ich ein wenig skeptisch war, teils was die Story angeht, aber auch die Zeichnungen, die nicht so ganz meinen Geschmack treffen. Im Nachhinein bin ich aber wahnsinnig froh, dass ich mich an diesem Comic versucht habe, denn er ist definitiv etwas besonderes und im Vergleich zu den anderen drei Titeln hier entstammt er einer deutschsprachigen Feder, was definitiv auch mehr supportet werden muss!

In Melek + Ich erschafft Lina Ehrentraut eine für mich komplett neue Welt und ein ungewohntes Szenario, was dadurch aber keinesfalls weniger intensiv ausgefallen ist. Es geht um Nici, die zwar Wissenschaftlerin ist, sich aber meist doch eher in der Bar aufhält. Verborgen arbeitet sie an Melek, einem anderen Körper, dem es möglich ist in Parallelwelten zu reisen. Und wie sollte es anders sein: Genau das gelingt ihr natürlich!
Doch was sie in ihrer neugewonnen Freiheit entdeckt, überrascht sie selbst: Sie trifft sich selbst, in ihrem ursprünglichen Körper und eben auch ein wenig anders als sie selbst. Hier ist es ihr nicht nur möglich, sich in ihrem anderen Körper neu und frei zu entfalten, sondern auch sich selbst, bzw. die „andere“ Nici mit anderen Augen zu betrachten und lieben zu lernen.

Ich muss zugeben, dass mich die Geschichte manchmal ein wenig überrumpelt hat. Es war schwer sich selbst von gewissen Zwängen und Vorstellengen zu lösen, um sich dann auf diese Geschichte einlassen zu können. Trotz vieler freier und sehr glücklicher Momente, ist es allerdings für mich alles andere als ein Wohlfühlbuch gewesen, denn auch Nici stößt an ihre Grenzen, lernt Seiten kennen, die ihr nicht gefallen und muss ich selbst entscheiden, was ihr wichtiger ist. Genau das führt auch zu Rückschlägen, die auch als Leser:in nicht ganz so leicht zu verarbeiten sind.
Vielleicht war es auch gerade deswegen ein wenig „unangenehm“ für mich, weil ich mich und mein Verhalten oft selbst wiedererkannt habe und noch in vielerlei Hinsicht an mir arbeiten muss.
auf jeden Fall eine einzigartige Story, die man sich durchaus mal anschauen sollte!

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AUCH REZENSIERT VON: folgt


Steinfrucht

Titel: Steinfrucht | Autor*in: Lee Lai | Übersetzer*in: Henrieke Markert | Illustrator*in: Lee Lai | Verlag: Avant Verlag | Erscheinungsdatum: 01.04.2021 | Seitenzahl: 232

Die großen Fragen nach Zugehörigkeit, Liebe, Akzeptanz und dem richtigen Umgang mit Traumata werfen ihre Schatten auf die queere Beziehung von Bron, einer trans*Person, und Ray, deren ohnehin nicht einfache Liebesbeziehung zusätzlich dem Druck ihrer beiden Familien standhalten muss. Eine Befreiung aus ihrem Alltag und eine willkommene Ablenkung von diesen Problemen sind die regelmäßigen Ausflüge mit Rays junger Nichte Nessie, persönliche Höhepunkte voller Wildheit, Lebensfreude und einer verloren geglaubten Leichtigkeit. Steinfrucht ist eine einfühlsame Geschichte über Liebe, Familie und die Kraft, die es braucht, um als Mensch zu wachsen. Und darüber, wie schmerzhaft und heilsam zugleich es sein kann, sich vor seinen Liebsten verwundbar zu zeigen.

Lee Lai ist eine aufregende neue Stimme des internationalen Autor*innencomics, der mit ihrem Debüt eine der bemerkenswertesten aktuellen Graphic Novels gelungen ist!

Vielen lieben Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars!

Lee Lai hat mit Steinfrucht eine unglaublich gefühlvolle aber teils auch sehr grobe Story geschrieben, die wohl teils auch biografische Teile enthält. Es geht um das junge Pärchen Ray und Bron. Es gibt hier so unglaubliche viele wichtige Faktoren, die mit eingebettet sind, dass es mir schwer fällt, den richtigen Anfang zu finden. Aber starten wir so: Der Autorin ist es mehr als nur gelungen, jeder Empfindung seinen Raum zu geben.

Zeichnungen @ Lee Lai | Avant Verlag

Bron ist eine trans Frau, was ihr durch die Ablehnung und Nichtakzeptanz ihrer gläubigen Familie ein großes Traume verursacht hat. Auch Ray hat familiäre Ablehnung aufgrund ihrer Beziehung erfahren und so ist auch die Beziehung der beiden einer großen Belastung ausgesetzt, die sie mit Liebe und den kleinen Momenten aufzufangen versuchen, was aber leider nicht immer so leicht ist, wie wir es gerne hätten.
Gerade die Momente und die Ausflüge mit Rays Nichte Nessi sorgen für Ausgelassenheit, doch spätestens beim Abschied, werden auch diese Momenten manchmal überschattet.

Lee Lais Zeichnungen und die Farbgebung haben mir wahnsinnig gut gefallen und auch der Wechsel der Darstellungen in den unterschiedlichen Momenten betont die Atmosphäre. Es ist leider keine Story mit einem typischen Happy End, aber das gibt es eben auch nicht immer. Die Geschichte befasst sich mit Liebe zueinander, aber auch zu sich selbst. Es geht um Akzeptanz und was es bedeutet vor anderen seine „Schwächen“ zuzulassen und einen Weg zu finden, mit sich selbst glücklich zu finden. So ist das hier eine ziemlich emotionale Reise, die so einige Höhen und Tiefen durchlebt, dadurch aber auch umso authentischer wirkt und mir sehr ans Herz gewachsen ist.

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AUCH REZENSIERT VON: folgt


Ich kann euch gar nicht sagen, welche Geschichte mich am meisten bewegt hat. Jede für sich ist eine absolute Besonderheit, steht für Diversität, aber eben vor allem für Menschlichkeit und Akzeptanz. Es geht darum, sich selbst zu finden, die Liebe zu finden und das alles irgendwie unter einen Hut zu bekommen. Dabei geht es nicht immer nur um Partner*innen, sondern auch um Familie und Freunde und generell um Rückhalt.
Der Pride Month steht an und wer noch nach einer passenden Lektüre sucht, der wird hier mit Sicherheit fündig. Natürlich eignen sich die Comics zu jeder Zeit. Egal, ob ihr euch selbst sucht, schon gefunden habt oder einfach mal über den Tellerrand schauen wollt – mich haben alle Geschichte unglaublich bereichert.

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