Rezension | Das Gerücht von Lesley Kara
Titel: Das Gerücht | Originaltitel: The Rumour | Autor*in: Lesley Kara | Übersetzer*in: Britta Mümmler | Verlag: dtv | Erscheinungsdatum: 18.03.2021 | Seitenzahl: 400
In unserer Stadt lebt eine Mörderin
Joanna zieht mit ihrem Sohn Alfie von London in eine Kleinstadt am Meer. Zunächst ist es die pure Idylle – dann hört sie, dass die Kindermörderin Sally McGowan, die als Zehnjährige einen Spielkameraden umbrachte, unter anderem Namen in der Stadt leben soll. Vor Jahrzehnten machte der Fall Schlagzeilen, inzwischen ist Sally längst aus dem Gefängnis entlassen worden. Unbedacht erzählt Joanna anderen Müttern von dem Gerücht und ihrem Verdacht, wer die Mörderin von damals sein könnte. Sie ahnt nicht, was für eine verheerende Spirale von Ereignissen sie damit in Gang setzt. Und wie sehr sie selbst in diese Geschichte verstrickt ist.
Vielen Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars!
Dieses Buch hat mich in der Vorschau sofort angelacht, da musste ich einfach einen genauen Blick drauf werfen!
Interessante Thematik
Lesly Karas Debütroman ist zwar eigentlich sogar letztes Jahr schon ins Deutsche übersetzt worden, da aber leider an mir vorbei gegangen. Umso mehr sieht man nochmal den Effekt von einer Neuauflage.
(Die 1. Broschur, die 2. Taschenbuch)
Die Autorin weiß mit einem interessanten und zumindest für mich sehr zugänglichem Schreibstil zu überzeugen und die Thematik wird schnell klar – hier ist wahrlich der Titel das Programm.
Gerüchte entstehen selbst, das wissen wir alle selbst und die Wirkung kann immens sein. Das mag manchmal eher Kleinigkeiten betreffen, doch was passiert, wenn es um so viel mehr geht?
Joanna möchte eigentlich nichts sehnlicher als einen entspannten Neustart mit ihrem Sohn und merkt schnell, dass sie sich dafür auch eine gewisse Zugehörigkeit in der Gemeinde wünscht. So kommt eins zum anderen und auf einmal steht ein Gerücht im Raum, von dem die pragmatische Protagonistin anfänglich nicht viel hält. Generell ist sie aufgeschlossen und eigentlich auch sehr offen heraus, was sie mir sofort sympathisch gemacht hat und auch durch viele kleine Einspieler durch die Autorin schnell deutlich wird. Doch, wie es manchmal so ist, findet man sich in einer Situation wieder, in der man zuerst spricht, bevor man denkt und schon ist es zu spät.
Ich fand gerade die Entwicklung hier wahnsinnig spannend. Denn ich kann mich da leider überlappt nicht rausnehmen und habe mich schon selbst das ein oder andere Mal in einer Situation wiedergefunden, die der von Joanna gar nicht so unähnlich ist. Ob nun aus Übermut, Unbedachtheit oder mangelnder Aufmerksamkeit – unsere Worte haben eben eine stärkere Kraft, als wir manchmal vermuten würden. Dass die junge Mutter da nicht immer den richtigen Weg fehlt, wohl eher im Gegenteil, hat mich beim Lesen zwar manchmal schon kirre gemacht, wurde aber von der Autorin so gut dargestellt, dass ich es dennoch nachempfinden konnte.
Roman oder Thriller?
Die Einschätzung hier ist gar nicht unbedingt so leicht, kann aber eben schnell zu falschen Erwartungen führen. Auch ich habe mich auf einen Thriller eingestellt, obwohl das Wort „Roman“ ja sogar groß auf dem Cover prangert. „Spannungsroman“ ist wahrscheinlich gar nicht so falsch betitelt, vor allem punktet die Geschichte aber mit ihrer Atmosphäre. Wer lieber zu einem blutigen Thriller greifen möchte, was ich durchaus verstehen kann, der wird hiermit vielleicht ein wenig unzufrieden sein, für typische Belletristik Leser:innen ist es wahrscheinlich auch nicht die typische Story.
Eins kann ich euch aber auf jeden Fall sagen, auch, wenn Joanna vielleicht für einige ein wenig gewöhnungsbedürftig ist und die Geschichte an manchen Stellen eine minimale Kürzung vertragen hätte und auch, wenn das Ende so anders als erwartet ist, hat Lesley Kara hier ein richtig starkes Debüt hingelegt, das mich nicht nur beim Lesen selbst sehr unterhalten konnte, sondern auch noch danach einen gewissen Nachklang verursacht hat.
Die Thematik ist sicherlich nicht neu, doch die Herangehensweise habe ich zumindest so noch nicht gelesen und war wahnsinnig angetan. Es spitzt sich einfach alles immer mehr zu und neben dem aktuellen Geschehen bekommt man als Leser:in noch Einblicke in die Sicht von Sally McGowan, die als Kind einen anderen Jungen ermordet haben soll. Und auch das wirft einige Fragen und Aspekte auf, auf die die meisten wohl nicht gefasst sind. Denn was passiert mit diesen Menschen? Dass sie nicht einfach verschwinden, ist uns wohl allen bewusst. Doch wie funktioniert eine Eingliederung in der Gesellschaft? Was macht das mit den Menschen selbst aber auch mit den Menschen aus der jeweiligen Gemeinschaft? Für mich durch und durch spannend und ich hoffe sehr auf weitere Geschichten der Autorin!
Ich freue mich so sehr über Das Gerücht von Lesley Kara gestoßen zu sein, denn mit diesem Debütroman hat die Autorin eine ziemlich intensive Geschichte abgeliefert. Zwischen Thriller und Roman wird hier eine atmosphärische Story aufgebaut, die sich vor allem damit beschäftigt, wie schnell sich ein Gerücht zu etwas viel Größerem entwickeln kann. An manchen Punkten zwar noch Luft nach oben, doch mich hat das Buch wirklich gut unterhalten und auch nach dem Lesen noch für den einen oder anderen Denkanstoß gesorgt.
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