Rezension | Equilon von Sarah Raich

Rezension | Equilon von Sarah Raich

Titel: Equilon | Autor*in: Sarah Raich | Verlag: dtv | Erscheinungsdatum: 16.02.2023 | Seitenzahl: 400 | Altersempfehlung: ab 14

Was, wenn das System entscheidet, ob dein Leben zählt? Jenna hat es geschafft: Sie hat den Score für die »Eine Milliarde« geknackt und darf als eine von wenigen Privilegierten nach New Valley. Hier wurde EQUILON entwickelt, der Algorithmus, mit dem der von Armut und Klimawandel erschütterte Planet wieder bewohnbar gemacht werden soll. Als Rebellen eine Veranstaltung sprengen, erahnt sie erstmals die Schattenseite dieser glanzvollen Welt.
Dorian aus Old LA hat es satt, denn sein Überleben ist abhängig vom Score der »Eine Milliarde« – und der fällt bei jeder Evaluation. Da trifft er auf die kleine Maggie, deren Mutter im Sterben liegt und ihm nicht nur Maggies Schicksal anvertraut, sondern auch etwas ungleich Wertvolleres: den Schlüssel für die »Eine Milliarde«.

Vielen Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars!

Nachdem ich vom letzten Buch der Autorin so begeistert war, konnte ich mir das neue Werk natürlich unmöglich entgehen lassen!

Die „Eine Milliarde“

Die Erde ist gebeutelt von Armut und den Klimaauswirkungen, sodass es die Gesellschaft, wie wir sie kannten, nicht mehr gibt. Die Rettung: Equilon. Ein Algorithmus, der alles besser machen soll. Ein privilegierter Teil der Menschheit, auch bekannt unter die „Eine Milliarde lebt in New Valley und arbeitet weiter an Equilon. Der komplette Rest der Menschheit lebt in absoluter Armut und muss sich einen Score erarbeiten, der Hoffnung darauf geben soll, irgendwann auch zu diesem ausgewählten Teil der Menschheit zu gehören. Tatsächlich habe ich mich hier schon gewundert, wie „leicht“ sich die Bevölkerung damit zufrieden gibt. Das hört sich jetzt erstmal gemein an, aber man sollte ja schon meinen, dass solch eine Unterdrückung/Ausbeutung durchaus nicht komplett verschleiert werden kann.
Auf Jenna trifft das aber zu, vielleicht auch gerade weil sie eine derjenigen ist, bei der sich das Prinzip „bewahrheitet“ hat, sie hat alles gegeben für einen guten Score und wurde tatsächlich ausgewählt. Und so hier es auf einmal: ab nach New Valley und in ein neues Leben.

Bei Dorian läuft es ein wenig anders, in seiner „Klasse“ in Old LA lebt er mit einem so niedrigen Score, dass er schon jegliche Hoffnung aufgegeben hat. Am Rande seiner Kräfte trifft er aber unverhofft auf die junge Maggie, die zwar sogar in noch schlechteren Verhältnissen lebt, aber keinesfalls an ihrem Lebenswillen zweifelt und vor Energie nur so zu strotzen scheint. Dadurch lernt er auch ihre Mutter Hannah kennen und wird in eine Geschichte verwickelt, die ihm mehr als nur eine Nummer zu groß ist. Doch wirklich raus kommt er aus der Sache auch nicht mehr und auf einmal befindet er sich auf der Mission Maggie hier rauszubringen und soll auch noch das Schicksal der Welt in den Händen halten, oder besser: den Schlüssel zur „Einen Milliarde“.
Den Start fand ich echt noch ganz cool, aber dann, hat mir doch einiges gefehlt.

Der Wunsch nach mehr

Versteht mich nicht falsch, die Idee hinter der Story hat mir unglaublich gut gefallen, doch an einigen Stellen hat es mir einfach an etwas gefehlt. So ist das Worldbuilding eigentlich echt cool angesetzt, doch davon hätte ich mir noch mehr gewünscht. Die Strukturen sind ja schon sehr krass aufgebaut und gerade weil ich mich gefragt habe, wie die Rebellion hier nicht wesentlich stärker ist, hätten mir ein paar Erklärungen mehr wirklich gut gefallen.
Jennas Trip nach New Valley ist dazu auch echt…außergewöhnlich. Stellt euch ein wenig das Setting von Tribute von Panem vor, nur eben mit einem Touch mehr Science Fiction. Auf der einen Seite ist die Armut und das Elend unendlich groß und der kleine überprivilegierte Teil der Menschheit lebt im totalen Überfluss und absolut unreflektiert. Eine Tatsache, die man gar nicht verleugnen kann. Jenna hat es hier aber hervorragend geschafft. Auf der einen Seite wusste ich natürlich, dass Jenna auch so gezeichnet war, dass sie es glauben WOLLTE, aber so ganz bin ich in diesen Flow einfach nicht reingekommen. In ihrer Perspektive passiert immer mehr, die Tatsachen werden ihr nur so ins Gesicht geklatscht und dennoch verschließt sie sich davor.

Da fand ich die Abschnitte mit Dorian und Maggie schon wesentlich abwechslungsreicher, wodurch ich hier dann auch wieder erstaunt war, wie glimpflich ihre Flucht verlief. Warum machen das dann nicht mehr Menschen? Vielleicht mochte ich Dorian als Charakter auch ein bisschen lieber, wobei mich hier eine Sache auch richtig kirre gemacht hat. Da hatte er nun von Maggies Mutter Hannah diese kleine geheime Schatulle bekommen, die wohl den Schlüssel zu allem enthalten sollte und…ihr glaubt es nicht. Er schaut da einfach nicht rein. Er hat es einmal versucht und da ist jemand dazwischen gekommen okay, aber danach trägt er dieses Ding nur mit sich rum. Ich weiß, dass ich persönlich auch ein ziemlich ungeduldiger Mensch bin, aber wie kann man sein Leben und alles aufs Spiel setzen und nicht in diese olle Schatulle gucken?! WIE?!

Jetzt habe ich wesentlich mehr gemeckert, als ich eigentlich wollte, denn „Equilon“ ist keinesfalls schlecht. Die Idee dahinter ist cool, und die Charaktere, wenn auch äußerst naiv, dennoch interessant gezeichnet. Vielleicht waren meine Erwartungen durch den vorherigen Roman „All that’s left“ einfach auch unfair hoch. Sarah Raich hat sich hier wirklich Gedanken gemacht und auch bei der Auflösung versucht wichtige Themen mit ins Spiel zu bringen. Die Umsetzung kam bei mir nur leider nicht ganz rund rüber. Vielleicht ist es Geschmackssache, vielleicht war auch der Gedanke dahinter, dass man lieber dezente, niedrigschwellige Anreize schaffen möchte, doch dadurch war es für mich ein interessantes Jugendbuch, das ich niemandem aus der Hand schlagen würde, aber leider nicht ganz das erhoffte Highlight. Es gab aber auch viele positive Aspekte, die mir hier aufgefallen sind, wie eine gesunde Darstellung von sexuellen Erfahrungen, die in Jugendromanen doch oft runtergespielt werden und zeitgleich eine asexuelle Repräsentation. Dazu bleibt das Ende zwar nicht unbedingt offen, würde aber durchaus noch Stoff für eine Fortsetzung bieten, also lassen wir uns einfach mal überraschen.

Meinen unglaublich hohen Erwartungen konnte das neue Werk von Sarah Raich leider nicht gerecht werden, obwohl ich die Idee hinter der Story echt gut fand. Ich hätte mir einfach noch mehr vom Worldbuilding und reflektiertere Charaktere gewünscht. Und auch die eher dezenten Anreize hätten für meinen Geschmack wesentlich präsenter sein können. Durch meine große Vorfreude ist die Kritik hier auch schärfer ausgefallen, als vielleicht sonst, denn das Buch ist keinesfalls schlecht und bietet dennoch viel Spannung und Input zum Nachdenken.

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