Rezension | Geisel von Guy Delisle

Rezension | Geisel von Guy Delisle

Titel: Geisel | Autor: Guy Delisle | Übersetzer: Heike Drescher | Illustrator: Gyu Delisle | Verlag: Reprodukt | Erscheinungsdatum: 01.07.2017 | Seitenzahl: 432

1997 wird Christophe André, Mitarbeiter der hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, im Nordkaukasus von tschetschenischen Separatisten entführt. Guy Delisle hat Christophe André einige Jahre später getroffen und die Geschichte seiner Geiselhaft aufgezeichnet: 111 Tage Warten, ohne jedes Wissen um das, was draußen passiert, ob man ihn für tot hält oder um seine Rettung bemüht ist.

Guy Delisle, Autor so erfolgreicher Reportagecomics wie „Aufzeichnugen aus Jerusalem“, „Aufzeichnugen aus Birma“ und „Pjöngjang“ ist neben Joe Sacco zweifellos der bekannteste Comicdokumentarist. Zum ersten Mal nimmt er sich hier einer fremden Geschichte an und setzt sie sensibel und erschütternd zugleich um.

Vielen Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars!

Obwohl mich dieser Comic von Anfang an angesprochen hat, musste er nun doch erst einmal eine Weile bei mir im Regal liegen, bis ich ihn letztes Wochenende endlich zur Hand genommen habe. Und was mich dann erwartet hat, damit hätte ich nie gerechnet.

Erschütternd authentisch

Guy Delisle verscuht sich hier an einer Geschichte, die er selbst nicht erlebt hat und die ihm der Betroffene, Christophe Andre, Jahre nach dem Vorfall geschildert hat. Natürlich sind hier die Erwartungen schon hoch, doch ich hätte nie erwartet, dass ich auch nur annähernd ein Gespür für solch eine Situation entwickeln könnte. Damit möchte ich natürlich keinesfalls behaupten, dass ich eine Geiselhaft nachempfinden könnte, aber es war wie ein Kratzen an der Oberfläche von etwas, das ich nie genauer kennenlernen möchte und das hat mir schon absolut gereicht.

Ich bin wirklich beeindruckt, nicht nur, dass Christophe die Kraft gefunden hat, das Ganze noch einmal so detailliert durchzuspielen, sondern auch von Guy Delisle, der mit so unglaublich viel Feingefühl an diese Geschichte herangetreten ist und sie so authentisch darstellen konnte.

111 Tage

Gleich zu Beginn wird Christophe Nachts aus seinem Bett gerissen und die furchtbare Tortur beginnt. Ich habe mich als Leser so unglaublich schnell in diese Situation reingefunden und habe mich absolut hilflos und verloren gefühlt. Jeden Tag das gleiche Spiel und jeder noch so kleine Hoffnungsschimmer scheint nur zu entflammen, um den eigenen Verstand zu rauben, und sich danach wieder in Luft aufzulösen.

Nach und nach haben sich beim Lesen meine Schultern immer mehr verspannt, ich hatte das Gefühl so sehr gefangen im Schicksal von Christophe Andre zu sein, dass ich mich gar nicht mehr von diesem Buch lösen konnte. Wenn man in jedem noch so kleinen Augenblick mitfiebert, und selbst zurückschreckt, wenn sich vielleicht eine Chance ergibt, man aber nicht weiß, ob es das Risiko wert ist. Eine wirklich gelungene Meisterleistung, die ich jedem nur ans Herz legen kann und die meine Hochachtung verdient.


Mir fehlen wahrlich die Worte, um meine Gefühle nach dem Lesen von Geisel von Guy Delisle beschrieben zu können. Die Geschichte von Christophe Andre, der dieses erschütternde Schicksal durchleben musste ist authentisch und bedrückend dargestellt, sodass ich mich gar nicht mehr von den Seiten lösen konnte. Eine Geschichte, die mich noch lange begleiten wird.

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