Rezension | Gejagt: Die Flucht der Angela Davis

Rezension | Gejagt: Die Flucht der Angela Davis

Titel: Gejagt: Die Flucht der Angela Davis | Autor*in: Fabien Grolleau | Übersetzer*in: Jano Rohleder | Illustrator: Nicolas Pitz | Verlag: Cross Cult | Erscheinungsdatum: 14.07.2021 | Seitenzahl: 136

Der Systemkampf einer politischen Ikone

Ursprünglich aus Birmingham stammend, wuchs Angela Davis in den 1960er Jahren in Alabama und damit im tiefsten Süden Amerikas auf. Hier war die Rassentrennung noch weiterverbreitet und die brutalen Angriffe des Ku-Klux-Klans auf die schwarze Bevölkerung wüteten ungestraft durch das Land.
Nachdem sie in Amerika Gewalt, Morde und Unruhen erlebte, reist Angela nach Europa, um bei intellektuellen Größen wie Marcuse, Adorno und Sartre zu studieren. In dieser Comic-Biografie erfährt der Leser, wie eine junge Akademikerin und Schlüsselfigur der Black Power-Bewegung im Zuge der berüchtigten FBI- Projekte um COINTELPRO zum „Staatsfeind Nummer 1“ der US-Regierung wurde. Ihr Verbrechen? Der Kampf für die Freiheit.

Fabien Grolleau und Nicolas Pitz präsentieren eine originelle und außergewöhnlich gut dokumentierte Graphic Novel, die das Leben und die Kämpfe einer der ersten feministischen Ikonen des 20. Jahrhunderts zelebriert: Angela Davis, schwarz, Philosophin, Revolutionärin und Ikone eines ganzen Volkes.

Vielen Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars!

Ich habe mich wahnsinnig gefreut, als ich diesen Titel im Programm von Cross Cult entdeckt habe – Angela Davis ist mir durchaus ein Begriff, dennoch war ich wahnsinnig gespannt auf diese Biographie!

Vom kleinen Mädchen zum Staatsfeind Nr. 1

Die Geschichte beginnt mit Angelas Kindheit, die sie in den 1960’er Jahren im tiefsten Süden in Amerikas verbringt.
Zeit und Ort kommen weder dem kleinen Mädchen, noch ihrer Familie oder ihren Mitmenschen zu gute. Die Rassentrennung steht immer noch auf dem Tagesplan und auch der Ku-Kux-Klan treibt in Alabama fleißig sein Unwesen. So fällt man beim Lesen schnell in die Szenerie und sieht all diese Unmenschlichkeit, aber gerade aus dem Blickwinkel eines kleinen Mädchens erklärt sich das alles noch weniger.
So wird Angela Davis bereits in jungen Jahren durch Rassismus, Sexismus und Diskriminierung geprägt.

Der Stil ähnelt wesentlich weniger einer klassischen Biographie, sondern orientiert sich viel mehr an prägsamen und emotionalen Momentaufnahmen. So wird immer mal wieder in der Zeitebene gewechselt und ein paar Jahre übersprungen, alles aber sehr klar strukturiert, ohne dass man das Gefühl hat, nicht mehr hinterher zu kommen.
Um ein wenig aus diesen Strukturen zu flüchten, reist Angela fürs Studium ins Ausland – irgendwie bleibt sie aber immer zerrissen und kann sich nicht wirklich von den Schrecken, die ihre Mitmenschen heimsuchen lösen.

Zeichnungen @ Nicolas Pitz | Cross Cult

Black Power Bewegung

Die Lage Zuhause spitzt sich immer wieder zu und so beschließt die mittlerweile junge Frau nun wieder zurückzukehren – zu groß ist das Bedürfnis, sich all der Ungerechtigkeit zu stellen und sich in der Black Power Bewegung zu engagieren.
Auch hier gibt es wieder mal einige spannende Einblicke. Ich selbst habe zum Beispiel gar nicht so sehr bedacht, dass auch die Black Panthers damals ziemlich chauvinistisch veranlagt waren, wodurch diese für Angela keine Option geboten haben – wieso auch, wenn sie auch hier nicht angehört wird?
So trifft sie auf den Che Lumumba Club (kommunistisch) und findet hier ihren Platz. Ihr Engagement wird immer größer, leider ebenso wie die Unruhen, die tragischerweise immer noch sehr aktuell sind und aufzeigen, wie tief verankert unsere gesellschaftlichen rassistischen Strukturen sind.

Bereits als Aktivistin war sie dem FBI ein Dorn im Auge, als kommunistische Anhängerin nun aber scheinbar die Bedrohung überhaupt. Nach und nach gewinnt sie immer mehr an Aufmerksamkeit, gerade auch medial und stößt dadurch auf den Fall von George Jackson, der unrechtmäßig im Todestrakt sitzt und ein tragisches Musterbeispiel der Polizeiwillkür und des Rassismus in unserer Gesellschaft ist. Nach und nach verstrickt sie sich mehr in diesem Fall und nimmt sich auch den kleinen Bruder des Inhaftierten an und ja, wer den Fall bereits kennt, weiß, dass diese Geschichte kein Happy End bereithält.

Ich muss gestehen, dass ich ein wenig mehr Fakten und weniger „lebendige Geschichte“ erwartet hatte, was mich aber nicht enttäuscht hat. Nicolas Pitz leistet hier ganz große Arbeit mit dem Artwork und unterstützt die Geschichte visuell unglaublich stark. Ein Comic, der meiner Meinung nach auch Platz in Klassenzimmern finden sollte und definitiv allgemein mehr Aufmerksamkeit verdient.

Mit Gejagt: Die Flucht der Angela Davis haben Fabien Grolleau und Nicolas Pitz viel mehr als eine klassische Biographie geschaffen und erzählen voller Leben und Emotionen von der Geschichte Angela Davis. Erschreckend und faszinierend zugleich, mit einem grandiosen Artwork. Ich hoffe sehr, dass dieser Comic noch viel mehr Aufmerksamkeit erlangt – denn es ist nach wie vor erschreckend, wie aktuell einiges ist.

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