Rezension | Happy End von Amélie Nothomb

Rezension | Happy End von Amélie Nothomb

Titel: Happy End | Originaltitel: Riquet à la houppe | Autor: Amélie Nothomb | Übersetzer: Brigitte Grosse | Verlag: Diogenes | Erscheinungsdatum: 26.09.2018 | Seitenzahl: 192

Der kluge Sonderling Déodat liebt das einsame Studium der Vögel, die Beobachtung ihres Flugs am Himmel über Paris. Auch Trémière wächst isoliert auf, im verwunschenen Haus ihrer exzentrischen Großmutter. Und wie Déodat lernt sie früh, die Dinge genau zu betrachten und in ihrem Wesen zu erfassen. Eines Tages trifft der altkluge Junge auf das bildhübsche Mädchen, und eine wundersame Geschichte nimmt ihren Lauf.

Vielen Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars.

Irgendwie hatte mich der Titel damals in der Vorschau wahnsinnig angesprochen, doch vom Inhalt ist nicht wirklich viel hängen geblieben. Was keinesfalls dem Buch anzulasten ist, so etwas vergesse ich immer wieder und bin dann umso gespannter, was mich erwartet. Doch gerade das hier, das habe ich nicht erwartet.

Die Schöne und das Biest

Märchengleich wird hier von zwei neugeborenen Kindern berichtet, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Wo er sein Umfeld durch sein Erscheinen entsetzt, sticht sie mit ihrer Schönheit heraus und wo er mit seiner Intelligenz punkten kann, wird sie als dumm abgestempelt. So wird immer häufiger ein ganz bestimmtes Märchen mit ins Spiel gebracht und obwohl man schon erahnen kann, was am Ende auf einen zukommen wird, trifft es einen doch ein wenig unerwartet. Déodat und Trémière leben in verschiedenen Welten und müssen so zunächst ihren eigenen Weg finden und gehen. Was ihnen in dieser Zeit geschieht, formt sie zu mehr oder weniger. Denn auch, wenn bestimmte Verhaltensmuster sicherlich auf die Reaktionen ihrer Mitmenschen zurückzuführen sind, beweisen sie sich immer wieder durch innere Stärke und bewahren ihren Kern.

Nicht nur der Kontrast, sondern auch der besondere Erzählstil und die unterschiedlichen Welten, die mir selbst neu waren, haben dafür gesorgt, dass ich von einer zur nächsten Seite geflogen bin und mich gar nicht mehr lösen konnte.

Eine außergewöhnliche Geschichte

Auch, wenn ich den Märchenvergleich gezogen habe, sollte man nicht aus den Augen verlieren, dass die meisten Märchen grausam sind und so ist es leider auch hier nicht anders. Es ist nicht wirklich ein Schrecken, der einen beim Lesen ergreift, sondern viel mehr eine Melancholie, die sich immer mehr ums Herz schließt. Dennoch bleibt immer ein kleines bisschen Hoffnung übrig, für diese zwei ganz besonderen Charaktere.

Déodorat und Trémière haben mehr gemeinsam, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Sie werden beide auf ihr Äußeres beschränkt und was in ihren Köpfen vorgeht, scheint die Umwelt nicht zu verstehen und zu akzeptieren. Dennoch versuchen beide ihren Platz in der Welt zu finden und beweisen, dass es auf wesentlich mehr ankommt, dass Vorurteile eben nichts anderes als genau das sind, Vorurteile. Zeitgleich zu erfahren, was sie über sich selbst denken und wie ihre Mitmenschen sie wahrnehmen ermöglicht eine unglaubliche Weitsicht, die ich vorher sicherlich nicht an den Tag hätte legen können. Vielleicht ist diese Geschichte auch weniger ein Märchen, als vielmehr eine Fabel, die uns mal wieder lehrt, wie falsch wir uns manchmal verhalten.

Amélie Nothomb hat mit Happy End eine außergewöhnliche Geschichte geschaffen, die sich zwar schnell wegliest, aber doch deutliche Spuren hinterlässt und einen erheblichen Nachklang auslöst.
Es geht um Vorurteile, innere Werte und Eigenschaften, die nun einmal einzigartig sind und uns dadurch ausmachen. Uns zu denen werden lassen, die wir sind. Manchmal benötigt es einfach diesen einen besonderen Menschen, der dies erkennen kann.

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