Rezension: Jack / Anthony McCarten
Er verstummte und sah mich an, seinen Racheengel, das kalte Urteil der Nachwelt in meiner Stimme – kein Wunder, dass er sich so sehr davor fürchtete, dass jemand seine Biographie schrieb. Er hatte eine entsetzliche Angst vor dem, was sie für alle Ewigkeit der Nachwelt enthüllen würde.
Titel: Jack | Originaltitel: American Letters | Autor: Anthony McCarten | Übersetzer: Gabriele Kempf-Allie; Manfred Allié | Verlag: Diogenes | Erscheinungstermin: 28.02.2018 | Seitenzahl: 256
Er ist nur noch ein Abglanz seiner selbst und säuft sich in Florida zu Tode: Jack Kerouac, Idol der Beatniks, der einst das Leben seines Freundes Neal Cassady ausschlachtete, um es zum Kultroman der 1950er Jahre zu verdichten. Da steht aus heiterem Himmel eine Literaturstudentin vor seiner Tür. Ihr Traum: als seine erste Biographin sein Leben aufzuschreiben. Jack weigert sich und lässt sich doch von Jans Bewunderung zu einem Blick zurück verführen. Ein Trip, aus dem keiner der Beteiligten heil herauskommt.
Es gibt immer mal wieder Geschichten, bei denen kann ich gar nicht so genau erklären, wie ich auf sie gestoßen bin.
So ähnlich ist es auch bei Jack, irgendwie habe ich es bei Diogenes entdeckt und war unglaublich gespannt auf die Geschichte dahinter. Und auch, wenn der Inhalt ansonsten nicht ganz so das ist, was mich ansonsten anspricht, habe ich doch bisher bei Diogenes immer einen Goldgriff gelandet.
Ein leichter Stil, der neugierig macht
Für mich ist es das erste Buch des Autors, von Sarah habe ich allerdings mitbekommen, dass auch sein Werk Superhero etwas ganz Besonderes für seine Leser bereithält. (Sarahs Rezension)
Der Stil ist unglaublich leicht und locker, zugleich verbirgt sich aber auch eine Tiefe in den Worten, die immer wieder zum Nachdenken anregt. Genau diese Kombination sorgt dafür, dass man sich einfach nicht von der Geschichte lösen möchte, eine besondere Bindung zu den Charakteren aufbaut und am liebsten selbst Teil des Ganzen wäre.
Bei der Begegnung von Jack und Jan hatte ich zuerst das Gefühl, dass dort Welten aufeinandertreffen, von Grund auf unterschiedliche Gemüter, die kaum zu einem Einklang finden werden.
Doch beide gehen in dieser Geschichte einen unglaublichen Wandel durch, der sie einander näher bringt, ohne sich selbst zu verlieren. Es ist das aufeinander zugehen, das hier erst richtig an Bedeutung gewinnt und einem aufzeigt, wo einen Emotionen und Erinnerungen hinführen können.
Durch den Verlauf der Geschichte und die immer wieder durchlebten Emotionen konnte ich alles um mich herum vergessen. Es war ein rauf und runter, kombiniert mit einer Ruhe, die mich unglaublich entspannt hat.
Das Leben von Jack Kerouac durchlebt nicht nur der Charakter selbst noch einmal neu, mit all seinen schönen aber auch erschreckenden Facetten, sondern auch als Leser kann man einen Blick hinter die Kulissen werfen.
So konnte ich durchaus nachempfinden, wie sich eine ganz besondere Beziehung zwischen ihm und Jan aufgebaut hat, eine Verbindung, die sonst keiner teilt.
Die Bedeutung von Selbstfindung
Nicht nur Jack versucht an einen Punkt zu kommen, mit seiner Vergangenheit Frieden zu schließen und sich mit der Gegenwart abzufinden, auch Jan scheint durch die gemeinsame Zeit immer mehr zu sich selbst zu finden, ein innerer Ruhepol. Diese Geschichte zeigt auf, wie wichtig es ist, mit sich selbst leben zu können, aufeinander zuzugehen, aber auch seine eigenen Grenzen zu entdecken.
Anthony McCarten konnte mich nicht nur mit dieser scheinbar harmlosen Geschichte begeistern, sondern vor allem mit ihrem Ende. Eine Erkenntnis, die ich eigentlich schon auf den ersten Seiten hätte erlangen können, vor der ich mich aber innerlich gesträubt zu haben scheine.
Aber das Leben ist nicht die Geschichte dessen, was man vermieden hat; es handelt hauptsächlich von den Dingen, die uns unaufgefordert in die Hände fallen, die uns über den Weg laufen, ohne dass wir nach ihnen suchen, die uns die unschuldige Nase blutig schlagen und uns das Unvermeidliche aufdrängen.
Anthony McCarten hat mit Jack ein wirklich erstaunliches Werk geliefert, eine Geschichte, die einlädt bei ihr Rast zu machen, nur um einen dann vollständig einzunehmen.
Vor allem im Nachklang ist sie mir doch wesentlich deutlicher unter die Haut gegangen, als ich es ursprünglich erwartet habe. Eine wunderbare Lektüre, für besondere Momente aber auch einfach nur für zwischendurch.
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