Rezension | Nadel und Folie

Rezension | Nadel und Folie

Titel: Nadel und Folie |  Autor*in: Luka Lenzin |  Illustrator*in: Luka Lenzin |  Verlag: ReproduktErscheinungsdatum: 05.09.2022  |  Seitenzahl: 168

Inspiriert von der eigenen Arbeit als Hilfskraft in einer Hamburger Drogenberatungsstelle erzählt Luka Lenzin in “Nadel und Folie” aus dem Alltag der Szene, von den Bedürfnissen der Menschen und vor allem: ihre persönlichen Geschichten. Aus einer Vielzahl flüchtiger Begegnungen zeichnet Luka Lenzin einen dokufiktionalen Tag in einer Anlaufstelle.

“Nadel und Folie“ beleuchtet auch die historische Entwicklung vom Umgang mit Drogen in Deutschland und in der Welt. Wieder und wieder zeigt sich in den individuellen Lebensgeschichten die Absurdität der deutschen Drogenpolitik und deren fatale Auswirkung auf die Gesellschaft.

Vielen lieben Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars.

Dieser Comic hat es als Empfehlung zu mir geschafft und ich war wirklich gespannt auf die Umsetzung, denn leicht fällt mir diese Thematik meistens nicht.

Dokufiktional

Durch persönliche familiäre Berührungspunkte mit dieser Thematik, bin ich doch meist sehr vorsichtig, wenn es um Bücher und Comics in diesem Bereich geht. Auf der anderen Seite sehe ich aber die ganz klare Notwendigkeit der Aufklärung und Enttabuisierung zum Thema Drogen(konsum).
Luka Lenzin hat über 10 Jahre als Hilfskraft in einer Hamburger Drogenberatungsstelle gearbeitet und setzt ihren Fokus im Comic nicht nur auf persönliche Erfahrungen und Berichte, sondern bringt unfassbar viel Wissen mit ein. So ist es eine Mischung aus Unterhaltung mit viel Tiefgang und einer Sachlektüre, die sicherlich noch einige überraschen wird.

Mir zum Beispiel war keinesfalls bewusst, dass gerade auch Deutschland eine treibende Kraft war, als im 19. Jahrhundert Kokain und Heroin industriell hergestellt wurde. Dabei ist dieser Aspekt gar nicht so irrelevant bei all den auch sehr rassistischen Vorurteilen gegenüber Drogenkonsum, bzw. den Konsumierenden. Dass sich Luka Lenzin auch diesem Thema sehr gewidmet und es aufgeklart hat, sehe ich als sehr wichtigen Schritt. Doch es ist nicht nur die historische Entwicklung mit dem Umgang von Drogen, sondern vor allem auch unsere aktuelle Drogenpolitik, die kontinuierlich Kriminalität reproduziert, anstatt hier zu helfen. Gerade auch die Aussage, dass Menschen nicht illegalisiert werden dürfen, fand ich sehr prägnant. Hier gibt es dann auch einen kleinen Ausblick auf die progressive Drogenpolitik in Frankreich.

Zeichnung @Luka Lenzin | Reprodukt

Aufklärung, Berührung & Tiefgang

Doch neben den sachlichen Aspekten ist es natürlich die persönliche Nähe, die hier sehr viel Tiefgang einnimmt und so berichtet die Künstlerin nicht nur von ihrer Geschichte, sondern auch von den Menschen, die täglich die Drogenberatungsstelle aufsuchen. Von ganz unterschiedlichen Einstiegen und Persönlichkeiten und dem einen gemeinsamen Nenner: der Konsum. Wichtig wird hier auch nochmal aufgezeigt, dass es sich dabei lediglich um ein Merkmal, neben etlichen handelt, das zu den Menschen zählt.

Dass ein Großteil der Bevölkerung solche Berührungsängste mit den Betroffene hat, liegt zum Teil auch an der fehlinformierten Angst und dem Nichtwissen, wie wichtig es ist, Räume zu bieten, in dem Menschen nicht nur sie selbst sein können, sondern auch Unterstützung erhalten. Für mich ein wirklich spannendes und interessantes Werk, das viel Aufklärung bietet und das ich allen Interessierten nur ans Herz legen kann.

Zeichnung @Luka Lenzin | Reprodukt

Mit Nadel und Folie bietet Luka Lenzin einen Einblick in den Tag einer Anlaufstelle für Drogenkonsumierende und bietet neben viel Tiefgang und Aufklärung zu Berührungsängsten auch viele sachbuchähnliche Aspekte zur historischen Entwicklung mit dem Umgang mit Drogen in Deutschland und erklärt die Kritik der aktuellen Drogenpolitik und deren verheerende Folgen.

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3 comments found

  1. Hey Jill,

    tatsächlich geht es mir bei Themen wie Drogen und deren Konsum wie dir. Man hat durch Erfahrungen im Umkreis Erfahrungen gesammelt und dem Gebiet somit einen Stempel aufgedrückt. Um so neugieriger hast du mich jetzt aber auf diesen Band gemacht, denn ein anderer Blickwinkel hilft dann meist doch. Ich finde es auf jeden Fall toll, dass du dich an das Thema gewagt hast und viel mitnehmen konntest.

    Liebe Grüße, Anja

    1. Liebe Anja,
      danke für dein liebes Feedback!
      Finde die Umsetzung und Herangehensweise hier sehr bemerkenswert und kann es auf jeden Fall empfehlen 🙂

      Liebe Grüße
      Jill

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