Rezension | Reality Show von Anne Freytag

Rezension | Reality Show von Anne Freytag

Titel: Reality Show | Autor*in: Anne Freytag | Verlag: dtv | Erscheinungsdatum: 20.10.2021 | Seitenzahl: 464

Hochspannung zur Primetime

Heiligabend: Die einflussreichsten Personen Deutschlands werden in ihren Häusern eingesperrt – und ihre Geiselnahmen live übertragen. Der Showmaster tritt vor die Kamera und erklärt die Spielregeln: »Zwar wählen die Menschen ihre Regierung, die Macht liegt jedoch längst nicht mehr beim Volk. Heute präsentieren wir Ihnen diejenigen, die wirklich entscheiden, wer zum Gewinner und wer zum Verlierer des Systems wird. Und glauben Sie mir, jeder von ihnen hat mindestens eine Leiche im Keller.« Nun haben die Zuschauer die Wahl, wer mit einem blauen Auge davonkommt und wer bluten muss. Während die Menschen wie gebannt vor ihren Bildschirmen sitzen, wird eine Frage immer lauter: Wer sind die Drahtzieher hinter der Reality Show?

Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Nachdem ich schon so lange kein Buch mehr von Anne Freytag gelesen habe und mich der Klappentext von ihrem neuen Buch echt neugierig gemacht hat, war das die perfekte Gelegenheit hier wieder aufzuholen!

Interessantes Gedankenspiel

Ich muss zugeben, dass ich ein klein wenig gebraucht habe, um einen Überblick der Story zu bekommen, doch sobald man erahnt, worauf es hinausläuft, befindet man sich auch schon mittendrin und ist unglaublich angefixt – zumindest erging es mir so.
Was wäre, wenn jemand dieses 1% angeht, das mehr besitzt als die restlichen 99%? Was wäre, wenn man mal ganz genau sieht, wie sich Reichtümer und Imperien aufbauen? Auf welche Kosten?
Und was wäre, wenn die Bevölkerung selbst ein Urteil fällen darf?
Doch kann man anprangern, dass Gesetze gebrochen oder zumindest unmoralisch umgangen werden, wenn man es selbst tut? Auch hier war hier oft hin und her gerissen. Zum einen wegen der Beweggründe der Macher der Reality Show, den Methoden selbst und auch, wie die Bevölkerung darauf reagiert hat.

Für mich war es ja auch das erste Buch aus dem Erwachsenenbereich von Anne Freytag und ich muss schon sagen, Chapeau – der Schreibstil an sich hat mir gefallen, die kurzen Kapitel haben mich gecatcht, die Idee hat genau meinen Geschmack getroffen. In der Umsetzung hatte ich ein paar kleine Kritikpunkte, dazu aber gleich mehr – doch die Gesamtsumme ist hier schon sehr cool. Gerade die erste Hälfte habe ich echt weginhaliert, weil ich total fasziniert war.
Ich finde gerade die menschliche Psyche bei solchen Szenarien wahnsinnig interessant und da hats sich die Autorin viel Mühe gegeben, so viel wie möglich abzudecken.

Wie man es macht, macht’s man verkehrt

Kommen wir nun zu ein paar Kritikpunkten, doch vorweg: es ist natürlich alles Geschmackssache.
Davon abgesehen muss ich ehrlich zugeben, dass ich gar nicht weiß, ob ich mich nicht vielleicht auch beschwert hätte, wenn die Autorin genau das anders geschrieben hätte, was ich zu „bemängeln“ habe.
Zum einen waren es diese unfassbar vielen Charakteren, bei denen ich schon im ersten Drittel absolut den Überblick verloren habe. Tatsächlich ist das aber auch bei allen gar nicht so schlimm, weil es viel mehr darum geht, die unterschiedlichen Eindrücke und Empfindungen wiederzugeben, als wirklich allen Mitspielern hier eine feste Rolle zu vermitteln. Das Gesamtbild war dadurch grandios, allerdings ist es manchmal auch ein bisschen schwer für mich, wenn ich ein wenig den Halt verliere. Und manche Situationen haben mich auch gar nicht so sehr interessiert, wie zum Beispiel die Ermittlungen in diesem Fall – aber ja, vielleicht hätten sie mir auch gefehlt, wenn sie nicht aufgeführt worden wären.

Und auch, dass die Charaktere hier eigentlich eher weniger gut bei wegkommen, was ihren Charakter angeht, ist wohl nicht allzu verwunderlich. Aber genau darauf soll das Szenario ja auch anspielen. Was genau sind es für Menschen, die im Hintergrund die Fäden ziehen? Was passiert mit Menschen, wenn sie auf einmal Richter spielen dürfen? Und wie viel eigene Schuld, bzw. Verantwortung sind wir bereit auf uns zu nehmen?
Reality Show ist ein Buch, das unglaublich viel Spannung bietet, eine makabere Faszination an unseren dunklen Seiten, enorm viel Denkanstöße gibt, aber auch versucht das Gesamtbild zu beleuchten, was mir wirklich gut gefallen hat.

Mit Reality Show konnte mich Anne Freytag gleichermaßen überraschen und faszinieren, wenn es mir auch zeitweise fast schon zu viele Perspektiven und zu viel vom Gesamtbild war. Aber die Denkanstöße, die diese Geschichte anregt sind enorm und haben mir wirklich gut gefallen.
Eine wirklich interessante Geschichte der Autorin und ein Zeichen für mich, ihren Veröffentlichungen wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

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