Rezension | Schneegrab von Michelle Paver

Rezension | Schneegrab von Michelle Paver

Titel: Schneegrab | Originaltitel: Thin Air | Autor*in: Michelle Paver | Übersetzer*in: Karin Dufner | Verlag: Piper | Erscheinungsdatum: 01.12.2022 | Seitenzahl: 304

Liegt ein Fluch auf diesem Berg?

Der Himalaya, 1935: Fünf Engländer brechen von Darjeeling aus auf, um den heiligen Gipfel des dritthöchsten Berges der Welt zu bezwingen. Je höher sie kommen, desto gespenstischer wird die Atmosphäre. Die Stimmung zwischen den Männern, vor allem zwischen den sehr ungleichen Brüdern Stephen und Kits, droht zu kippen. Immer klarer wird: Der Berg ist nicht ihr einziger Feind. 

Während der Wind abflaut, wächst das Grauen. Gezeichnet von den Schrecken der extremen Höhe stoßen die Männer auf ein unheimliches Geheimnis aus der Vergangenheit, das nicht im Schnee begraben bleiben will … 

Vielen Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars!

Michelle Paver hat mich mit ihrem letzten Buch schon neugierig gemacht, doch gerade das Setting in ihrer neuen Geschichte hat mich sehr gereizt.

Schneegrab

Stephen springt im letzten Moment als Doktor für die Expedition im Himalaya ein, der Kangechenjunga soll bestiegen werden. Ein Anliegen, das bisher noch nicht wirklich mit Erfolg gekrönt war.
Er und sein Bruder Kits, der von Anfang an bei dieser Expedition mit involviert war, haben schon in ihrer Kindheit vom Gipfelsturm 1906 unter der Leitung von General Edmund Lyell geschwärmt – dabei war dieses Unterfangen nicht einmal erfolgreich und der Leiter ist der einzige Überlebende, enthält sich allerdings auch gänzlich der Öffentlichkeit.
Fast 30 Jahre später ist es aber nun soweit und neben den Brüdern gesellen sich noch die beiden Bergsteiger McLellan und Garrard dazu, um unter der der Führung von Major Cotterell nun endlich den Kangchenjunga zu besteigen. Allein macht sich das ziemlich schwer und so wird die kleine Gruppe von ca. 60 „Kulis“ begleitet, eine Formulierung, die mir direkt ein wenig aufgestoßen ist.

Michelle Paver bedient sich, wie auch schon in „Teufelsnacht“ dem gesellschaftlichen Stand der Zeit, was wie in diesem Fall auch wieder jede Menge Rassismus und Klassismus mit sich bringt. Die Sherpas haben jegliche Expeditionen damals erst möglich gemacht, unendlich viel Gepäck von den Expeditionsmitgliedern getragen und wurden in der Regel aber nur sehr abschätzig dafür behandelt. Die damaligen Vorurteile, dass sie kindisch, abergläubisch und nicht besonders intelligent wären, wurde auch in dieser Geschichte mit verknüpft. Mir fällt es immer sehr schwer wenn so ein Verhalten erst einmal sehr unreflektiert dargestellt wird, doch ich verstehe die Intention der Autorin natürlich.
Die neue Expedition auf den Kangchenjunga hat nicht nur die gleiche Route, sie soll auch zeitlich aufs gleiche Datum der verhängnisvollen Expedition rund 30 Jahre zuvor fallen, was den „Kulis“ aufstößt und nichts Gutes bedeuten kann. Und genau hier beginnt bereits der erste Keim von Zweifel gesät zu werden…

Atmosphärisch & anders

Gerade Kits ist unglaublich zielstrebig und sieht es als seine ganz persönliche Mission, diesen Aufstieg zu bewältigen. Dass ausgerechnet sein Bruder nun an seiner Seite ist und auch noch die Chance hatte unverhofft ein paar Worte mit dem bekannten Lyell zu wechseln, ist ihm ein Dorn im Auge. So haben wir bereits auf den ersten Seiten erfahren, dass etwas auf dem Berg lauert, aber das hat uns ja auch schon der Klappentext verraten und sind wir ehrlich: Michelle Paver ist für genau diese Atmosphäre bekannt.
Ich finde ein Setting im Eis generell schon unglaublich spannend, in erster Linie aber vor allem furchteinflößend, besonders im Thriller Genre, wen die Autorin aber auch darüber hinausgeht.
Auch in der heutigen Zeit ist dies alles andere als ein ungefährliches Unterfangen, doch 100 Jahre vorher könnt ihr euch ja vorstellen, wie viel Tote diese abenteuerlustigen, aber eben auch schon toxisch-männlichen Expeditionen gefordert haben.

Allein die körperliche Anstrengung hier zu verfolgen, die sehr detailreich beschrieben ist, hat bei mir schon für eine Gänsehaut gesorgt, dazu kommt noch die zwischenmenschlichen Aspekte, die sich in der kleinen Gruppe abspielen und so einiges aufkochen lassen. Und dann, tja, und dann gibt es natürlich auch wirklich noch etwas, was auf die Gruppe wartet. Es gibt zwar Perspektivwechsel, doch gerade Stephen rückt als Protagonist in den Vordergrund und gerade am Anfang hatte ich ein wenig das Gefühl, dass er einfach nur zufällig hier reingerutscht ist und eigentlich einen anderen Weg hätte einschlagen sollen, doch genau das macht die Dynamik aus. Michelle Paver verliert sich manchmal sehr in ihrer düsteren und unbehaglichen Atmosphäre, was unglaublich gut zu dieser Story passt. Der Stil ist eigen und nicht für klassische Thriller Fans gedacht, die vielleicht doch auch ein wenig enttäuscht sein könnten, doch das Gesamtpaket ist in meinen Augen wirklich gelungen und definitiv einen Versuch wert.

Auch mit „Schneegrab“ erschafft Michelle Paver wieder eine unglaublich atmosphärische Story, die nicht nur den Zeitgeist einfängt, sondern auch sonst beim Lesen für eine unbehagliche und zugleich einnehmende Unterhaltung sorgt. Kein klassischer Thriller, eher genreübergreifend, aber definitiv voller Spannung und einen Blick wert!

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AUCH REZENSIERT VON: Phantastik Couch

2 comments found

  1. Schönen guten Morgen!

    Das hört sich ja dann fast eher nach einem Horrorroman an? 😀 Aber wie man es auch nennen mag, spannend scheint es ja für dich auf jeden Fall gewesen zu sein. Ich mag es gerne, wenn man die Atmosphäre so gut spüren kann!
    Die damaligen Vorurteile – also wenn die Geschichte in der Zeit spielt hab ich kein Problem damit dass diese dann auch so dargestellt werden wie es war. Es war ja nunmal so 🙂 Umso klarer tritt ja damit hervor, dass es Zeit war dass sich da was ändert. Nur weil wir uns damit unwohl fühlen, muss man ja nichts beschönigen, das würde für mich dann eher unrealistisch wirken.
    Allerdings weiß ich natürlich nicht wie die Autorin das hier rübergebracht hat…

    Hab einen schönen Sonntag!

    Liebste Grüße, Aleshanee

    1. Oh Aleshanee,

      jetzt habe ich 100 Jahre für die Antwort gebruacht, bitte entschuldige!
      Tatsächlich habe ich deinen Kommentar gelesen und dachte…ja klar, wieso habe ich es nicht einfach so formuliert, haha.
      Ich weiß total was du meinst. Man sollte die Zeiten auch nicht schönreden. Ich bin da immer hin und her gerissen und hoffe, wenn Ismen reproduziert werden, dass es auch eine Entwicklung/ ein Reflektieren davon gibt.
      Danke für deine Denkanstöße!

      Liebe Grüße
      Jill

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