Rezension: Zusammen sind wir Helden / Jeff Zentner
„Warum sollte ich das tun?“, fragte Dill.
„Abgesehen von den Gründen, die ich dir gerade aufgezählt habe? Weil wir genau die Dinge tun sollten, vor denen wir Angst haben. Dann werden sie jedes Mal leichter.“
Titel: Zusammen sind wir Helden | Originaltitel: The Serpent King | Autor: Jeff Zentner | Übersetzt von: Ingo Herzke | Verlag: Carlsen | Erscheinungsdatum: 21.12.2017 | Seitenzahl: 368 | Altersempfehlung: ab 14
Ohne seine Gitarre wäre Dills Leben wirklich trostlos: Sein Vater ist im Gefängnis, seine Mutter unglücklich, und nach der Schule soll er im örtlichen Supermarkt arbeiten, um die Schulden abzubezahlen. Aber Dill sehnt sich nach einem anderen Leben, irgendwo da draußen. Seine Träume teilt er mit seinen beiden besten Freunden: Lydia, selbstbewusst und mit dem festen Plan, als Modebloggerin nach New York zu gehen, und Travis, der halb in seiner geliebten Fantasy-Serie lebt. Zusammen, glauben sie, können sie alles schaffen …
Als mich Ende letzten Jahres ein Überraschungspaket von Carlsen erreicht hat, bin ich vor Freude aus allen Wolken geflogen! Enthalten war nicht nur dieses Schmuckstück, sondern auch noch ein Lesezeichen, passend zur Geschichte ein Armand, ein Button und eine Playlist. Denn Dills Herz schlägt für Musik! Klingt alles zusammen nach einem spannenden Abenteuer, einem kleinen Roadtrip, einer Reise zur Selbstfindung? Das dachte ich zumindest…
„Ich weiß nicht, was passieren würde, wenn ich dich jemals verliere. Das würde mich umbringen.“
„Du wirst mich nicht verlieren.“
„Ich möchte, dass du in dieser Welt gut auf dich aufpasst. Du bist mein ganzes Herz.“
Auch hier hat es mich wieder eingeholt, dass ich Klappentexte meistens nur anschneide, sie schnell wieder vergesse und mich dann eher unvoreingenommen in die Geschichten stürze. Ich finde es grandios, wenn ich etwas vollkommen anderes erwartet habe und dann vollkommen überwältigt bin von der tatsächlichen Handlung.
Gleich zu Beginn spürt man diese beklemmende und melancholische Atmosphäre. Ich weiß, dass so etwas nicht jedermanns Geschmack trifft, aber ich mag es zwischendurch mal sehr gern so. Es ist schließlich nicht alles rosig.
Nur trifft einen hier eine geballte Ladung von Thematiken, die einen einfach nur bedrücken.
Religiöse Fanatiker? Kindesmisshandlung? Häusliche Gewalt? Depression? Alles mit enthalten und unglaublich wichtige Themen, die hier angesprochen werden ohne jedes Mal wirklich einen Stempel aufgedrückt zu bekommen.
Die Charaktere sind unglaublich facettenreich, und könnten unterschiedlicher nicht sein. Mit Dill bin ich zwar am wenigsten warm geworden, wohl aber weil ich seine persönlichen Umstände mit am skurrilsten fand.
Mit einem Elternhaus, an dem man kein gutes Haar lassen kann, versucht er sich dennoch über Wasser zu halten, was sich aber wesentlich schwieriger gestaltet, als es sich anhört.
Lydia ist der aufgeweckte Kern in der Runde, die alles ein wenig antreibt und selbst versucht einfach mehr aus ihrem Leben zu machen. So kommt natürlich auch die Frage auf, ob es schlimm wäre, wenn man genau das eben nicht möchte. Jeder muss schließlich seinen eigenen Platz in der Welt finden, mit dem er glücklich wird.
Travis war für mich der Ruhepol und in meinen Augen einfach ausgeglichen und selbstsicher in seiner Haut.
Die Kapitel waren abwechselnd aus den Blickwinkeln der drei Protagonisten geschrieben und seine haben mir am meisten zugesagt.
Travis sah ihm in die Augen und in seiner Stimme lag immer noch die stählernde Entschlossenheit.
„Das meine ich ernst, Dill. Wir müssen von jetzt an aufeinander aufpassen. Wir müssen für einander Familie sein, weil unsere eigenen so verkorkst sind. Wir müssen uns ein besseres Leben schaffen. Wir müssen endlich anfangen, die Dinge zu tun, vor denen wir uns fürchten…“
Und so habe ich mich in einer Geschichte wiedergefunden, die ich mir ganz anders vorgestellt hatte, die mich dadurch aber wahrscheinlich nur umso mehr beeindrucken konnte. Diese Geschichte hat einem unglaublich viel gegeben und zeitgleich auch einiges genommen. Themen, vor denen man gerne mal die Augen verschließt und Stimmungen, denen man lieber aus dem Weg gehen möchte. Es war für mich eher eine außergewöhnliche Faszination, die Schicksale der drei Jugendlichen zu verfolgen.
Kennt ihr das, wenn ihr beim Lesen einen tiefen Schmerz im Herzen verspürt, euch das Atmen schwerfällt und die Tränen gar nicht mehr versiegen möchten? Das beschreibt meine Empfindungen während des Lesens hier wohl am besten.
„Wofür war das denn?“, fragte Dill.
„Du hast ausgesehen, als sei dein Herz auf einen Legostein getreten.“
Lediglich der Musikanteil in der Geschichte hat mich ein wenig enttäuscht. Es ist gar nicht so, dass ich da persönlich großen Wert drauf lege, doch war es so der einzige Punkt, den ich fest im Kopf hatte, dass er hier eine große Rolle spielen soll. Natürlich gab es hier und da ein paar Ansätze und auch Situationen, allerdings nicht annähernd so ausgebaut, wie ich es erwartet hätte. Wer also genau aus diesem Grund nach dieser Geschichte greifen sollte, dem kann ich nur raten, die Erwartungen ein wenig runterzuschrauben.
Wer eine Geschichte auch mal mit einem bedrückenden Gefühl beenden kann und mit schmerzlichen Thematiken umgehen kann, dem kann ich dieses Buch wirklich nur ans Herz legen. Es ist anders, erschreckend und nachhaltig.
Eine außergewöhnliche Geschichte, die mir so schnell nicht aus dem Kopf gehen wird.
„Ich habe irgendwo gelesen, dass viele der Sterne, die wir sehen, gar nicht mehr existieren. Sie sind schon gestorben, aber es dauert Millionen Jahre, bis ihr Licht die Erde erreicht“, sagte Dill.
„Das wäre auch keine schlechte Art zu sterben“, sagte Lydia.
„Noch Millionen Jahre weiterzustrahlen, nachdem man abgetreten ist.“
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Mit Zusammen sind wir Helden hat mich eine Geschichte getroffen, auf die ich einfach nicht vorbereitet war. So viel Trauer und Leid, dass es mir das Herz zugeschnürt hat und man einfach nur nach einem Funken Hoffnung Ausschau hält. Es werden viele, unglaublich wichtige Themen angesprochen, ohne sie direkt benennen zu müssen, sie sind einfach da, ohne, dass wir Einfluss darauf hätten.
Greift zu diesem Buch, lasst die Geschichte auf euch wirken, aber sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt!
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