Wieso Own Voices Bücher so wichtig sind

Wieso Own Voices Bücher so wichtig sind

Momentan gibt es ein ganz bestimmtes Thema, das die Gemüter der Buchcommunity besonders erhitzt. Der Wert von Own Voices Büchern und generell die Präsentation der betroffenen Personen in Büchern.

Vorweg muss ich ganz klar sagen: Ich möchte mit diesem Beitrag NIEMANDEM auf die Füße treten, ich möchte niemanden verletzen, angreifen oder in seiner Sichtweise beschränken. Falls das doch passieren sollte, tut es mir leid – sucht gerne das Gespräch mit mir!
Es handelt sich hierbei vielmehr um meine eigenen Gedanken zum Thema, über Austausch freue ich mich da sehr!

Was bedeutet Own Voices?

Es gibt sicherlich noch einige, die den Begriff noch nicht gehört haben, obwohl sie wahrscheinlich schon über besagte Bücher gestolpert sind. Grob geht es dabei darum, dass Menschen ihre eigenen Erfahrungen in Geschichten einfließen lassen. Gerade was sehr tiefgehende Thematiken wie zum Beispiel Rassismus, Homophobie und Sexismus betreffen. Denn es gehört einfach mehr dazu als Empathie und Mitgefühl, um gewisse Lebenssituationen wiedergeben zu können.
Beispiele wären zum Beispiel The Hate U Give von Angie Thomas, Lagune von Nnedi Okorafor, Als ich Amanda wurde von Meredith Russo und George von Alex Gino.

Der deutsche Buchmarkt hängt da noch ein wenig hinterher, was aber viele Faktoren hat. (Ohne das rechtfertigen zu wollen!) Aber um wirklich verstehen zu können, brauchen wir genau diese Stimmen.
Jetzt haben die meisten sicherlich schon einige Bücher gelesen, in denen beispielsweise PoC und queere Charaktere vorkamen, diese aber vielleicht nicht von betroffenen Personen geschrieben wurde. Das Problem dabei? Die Präsentation von eben diesen Personen. Ich möchte auf keinen Fall, dass wir einen Schritt zurückgehen und jeder nur in seinen „Kategorien“ schreiben darf. Was bedeuten würde, würde ich Bücher schreiben, meine Charaktere ausschließlich weiß, weiblich und heterosexuell wären. Aber darum geht es auch gar nicht. Natürlich sollen auch diese Menschen repräsentiert werden, aber als nicht betroffene Person fehlt einem einfach das Verständnis und die Erfahrung, um von entsprechenden Problemen berichten zu können. Baut diverse Charaktere ein, gebt ihnen eine Stimme! Aber versteift euch nicht, auf ein Coming-out, rassistische Erfahrungen & Co. Denn ja, dies ist zumindest meine Meinung, dies sollte den Menschen überlassen werden, die diese Rolle nicht nur beschreiben, sondern darin auch leben.

Die oben genannten Bücher sind nur ein paar Beispiele, für Geschichten, die mich wahnsinnig bewegt haben, mir das Gefühl gegeben haben, endlich mehr zu verstehen, was mir vorher einfach nicht in diesem Ausmaß gelungen ist und mich zu Tränen gerührt haben.
Natürlich kann Recherche viel bewirken, und wenn man selbst nicht betroffen ist, aber bestimmte Themen gerne in seine Geschichten unterbringen möchte, kommt es eben auf das WIE an. Lasst eure Charaktere homosexuell sein, ohne auf die sexuelle Orientierung weiter einzugehen, einfach weil es normal ist, normal sein sollte. Liebe ist Liebe. Aber raubt nicht denen die Stimme, die tiefergehend berichten können und übergeht sie. Sprecht euch ab, jede Person ist ein Individuum und möchte gehört werden. Sucht euch Menschen, die euch von ihren Erfahrungen berichten können. Außerdem gibt es auch Aktionen zum Sesitive Reading – was so viel bedeutet: Es gibt zum Beispiel Testleser, die sich mit bestimmen Themen auskennen/ Erfahrungen gesammelt haben und einen Text besser einschätzen können.

Ich hoffe, dass ich meinen Standpunkt und meine Einschätzung zu diesem Thema irgendwie verständlich rüberbringen konnte. Nun interessiert mich aber eure Meinung – wie steht ihr dazu?

15 comments found

  1. Hallo Jill, mir fiel gerade ein riesen Stein vom Herzen, als ich deinen Beitrag gelesen habe. Ich bin noch immer so unfassbar schockiert darüber, was einige Leute da vom Stapel gelassen haben, auch Leute, von denen ich dachte, dass sie anders denken … ich muss das erst mal verarbeiten, da mir diese Diskussion gezeigt hat, dass ich mich total in ein paar Menschen getäuscht habe, was mich unfassbar traurig macht.
    Ich bin deiner Meinung und finde, du hast das Ganze auch gut ausgedrückt. Ich habe auch einen Beitrag zum Thema geschrieben wollte, aber noch ein paar Tage abwarten, bis ich ihn poste, da ich Angst habe, dass zu sehr die Wut aus mir spricht …. ich muss da definitiv noch 1-2 mal drüber lesen, bevor ich ihn in die Welt hinaus lasse.

    Ich bin jedenfalls absolut deiner Meinung und finde deinen Beitrag wirklich gelungen.

    1. Ach Ivy, ich weiß, was du meinst und kann mich dir nur anschließen. Ich muss gestehen, dass ich vielen Diskussionen gar nicht weiter gefolgt bin, weil es einfach so schnell ausartet. Ich finde es einfach nur traurig. Gerade wenn die Einstellung ist „Ich will das aber so für mich“ – dann frage ich mich immer, und was ist mit dem Menschen gegenüber? Hat er kein Recht auf das, was ihm wichtig ist? Ich habe auch lange überlegt, wie ich den Beitrag schreiben soll und habe eine liebe Freundin noch einmal drüber schauen lassen. Einerseits wollte ich mir eigentlich mehr Luft machen, dachte dann aber, dass sich vielleicht mehr Leute auf den Schlips getreten fühlen könnten, als dass sie vielleicht darüber nachdenken würden.
      Ich bin schon sehr gespannt auf deinen Beitrag!

  2. Ich habe die Diskussion auch verfolgt und war ganz verwirrt von den völlig merkwürdigen Analogien – ob jetzt nur noch Hühner Tierbücher schreiben dürften und Co und ob JK Rowling ihren Abschluß in Hogwarts gemacht hat. So ein geistiger…. .

    Es ist einfach authentischer und nachfühlbarer, wenn es ein Betroffener schreibt – das heißt nicht, dass andere es nicht dürfen, aber eventuell sind da korrigierbare Passagen, Dinge, die ein Betroffener nie sagen würde etc. Oder?

    1. Ja, ich weiß, was du meinst…
      So sehe ich es auch. Natürlich kann man auch mit Austausch schon viel in Erfahrung bringen, aber es kommt wahrscheinlich immer darauf an 😉

  3. Liebe Jill, ein toller Beitrag 🙂 also an mir ist diese Diskussion ja vorbei gegangen 😀 dies liebt aber auch einfach daran, dass ich ich solche Dinge bewusst überlese oder mich einfach nicht einmische 🙂 Meine Meinung bleibt meine Meinung und ich muss das mit keinem ausdiskutieren. Aber ich verstehe auf jeden Fall den Ansatz und finde deinen Beitrag wirklich überaus gelungen. <3

    1. Vielen lieben Dank Elizzy, für dieses tolle Feedback <3
      Man muss sich ja auch nicht mit allem auseinandersetzen, kann ja aber dennoch für gewisse Sachen sensibilisiert sein.
      Ich finde es aber toll, dass auch wenn dich das Thema selbst nicht betrifft oder so anspricht, du dich trotzdem dafür interessierst!

      Liebe Grüße
      Jill

  4. Hi Jill, ich achte tatsächlich nicht bewusst darauf, ob der/die Autor_In selbst schon entsprechende Erfahrungen gemacht hat und bei den meisten Themen kann ich es auch nicht wirklich einschätzen, eben weil ich selbst keine entsprechenden Erfahrungen habe.

    Ab und zu stoße ich aber doch auf Bücher, wo ich mir durch meinen psychologischen Hintergrund denke „Das ist jetzt aber echt unrealistisch, da wollte man ein Happy End erzwingen“, so z.B. geschehen beim ersten Teil von Redwood Love.

    Insofern halte ich es auch für sinnvoll a) Own Voices zu hören/lesen und b) entsprechende Testleser zu haben, die echte Erfahrungen gemacht haben. Wobei man auch da nicht nur eine Einzelmeinung einholen sollte, denn jede Erfahrung ist anders und einzigartig und lässt sich nicht unbedingt für alle Betroffenen generalisieren (wobei auch eine einzelne Erfahrung natürlich repräsentativ sein kann).

    1. Liebe Fridelchen,

      da kann ich dir zu zustimmen – klar, das weiß man ja auch nicht immer oder „kontrolliert“ es danach. Aber macnhmal hat man ja schon das Gefühl, dass beim Lesen gewisse Charaktere komisch dargestellt werden. Und natürlich ist jeder Mensch für sich individuell, da stimme ich dir auf jeden Fall zu – so sind ja auch die Erfahrungen ganz unterschiedlich. Aber gerade, wenn man ein großes und vor allem auch wichtiges Thema anschneidet, ist der „richtige“ Umgang damit schon sehr wichtig.

      Liebe Grüße
      Jill

  5. Liebe Jill,
    ich danke dir für diesen Beitrag. Es rührt mich einfach immer mehr zu sehen, dass authentische Repräsentation inzwischen nicht mehr nur Betroffenen wichtig ist, sondern der Ruf danach auch in der großen Mehrheit lauter wird. Ich selbst kann sagen, dass ich mich über jede (annähernd authentische) Repräsentation freue, mir Own-Voices-Geschichten aber einfach noch mehr am Herz liegen.
    Liebe Grüße, Hannah 🙂

    1. Liebe Hannah,

      das kann ich total nachvollziehen. Und gerade deswegen ist es auch so wichtig. Natürlich läuft man bei Diskussionen zu dem Thema immer ein wenig auf Glatteis, gerade auch, wenn man nicht „betroffen“ ist, aber es hat einfach jeder eine Stimme verdient und dafür müssen sich auch alle einsetzen.

      Liebe Grüße
      Jill

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