Rezension | Blinde Tunnel von Tove Alsterdal

Rezension | Blinde Tunnel von Tove Alsterdal

Titel: Blinde Tunnel | Originaltitel: Blindtunnel | Autor*in: Tove Alsterdal | Übersetzer*in: Hanna Granz | Verlag: Rowohlt Kindler | Erscheinungsdatum: 12.09.2023 | Seitenzahl: 352

Schwedens Spannungsstar Tove Alsterdal lässt ein dunkles Kapitel der Vergangenheit lebendig werden: das Schicksal der Vertriebenen.
Bewegend, intelligent, herausragend erzählt. 

Sonja und Daniel wollen ihre Ehe retten und erfüllen sich einen Traum: Das schwedische Paar kauft ein Weingut in Tschechien. Das Anwesen liegt seit dem Zweiten Weltkrieg brach, verströmt jedoch eine betörende Magie. Bei ihren Aufräumarbeiten entdecken sie ein Kellergewölbe mit Flaschen aus den Kriegsjahren. Und die mumifizierte Leiche eines Jungen mit weißer Armbinde. Die Polizei hat kein Interesse, der Sache nachzugehen, aber mithilfe der Anwältin Anna erfährt Sonja mehr über die bewegte Geschichte des Dorfes, die Annexion der Gebiete durch Hitler, das Leid der Bevölkerung. Doch dann wird Anna ermordet und Daniel als Verdächtiger verhaftet. Sonja begreift, dass der Schlüssel in der Vergangenheit liegen muss. Und dass manche Dinge für immer verborgen bleiben sollen.

Vielen Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars!

Obwohl ich bei der Thematik mittlerweile oftmals zurückschrecke, war ich hier doch zu neugierig und wollte einen Blick wagen.

Annexion des Sudetenlandes

Die Ehe von Sonja und Daniel läuft nicht ganz so, wie die beiden es sich erhofft hätten und es macht sich immer mehr Unzufriedenheit breit. Ihre Zelte abzubrechen und irgendwo einen Neuanfang zu starten war schon länger eine Idee, dass es das schwedische Paar aber ausgerechnet nach Böhmen, Tschechien verschlägt ist dann aber doch eine kleine Überraschung. Ihr Ziel: dort ein altes Weingut renovieren und einen neuen Lebensabschnitt starten.

Ich habe früher so oft Bücher gelesen, die den zweiten Weltkrieg behandelt haben, dass ich das mittlerweile einfach nicht mehr kann. Ab und zu schleicht sich dann aber doch mal eine Geschichte mit rein, die mich einfach zu neugierig gemacht hat. Und hier hat Tove Alsterdal auch noch ein Kapitel aufgeschlagen, mit dem ich mich vorher nicht allzu sehr beschäftigt habe – was historisch gesehen unfassbar spannend war, wenn zeitgleich auch einfach unglaublich traurig und erschreckend. Anmerken muss ich an dieser Stelle, dass ich einfach davon ausgehe, dass gute Recherchearbeit geleistet wurde, mir aber die Expertise fehlt, um das auch wirklich zu bestätigen.

Thriller-Stimmung?

Mit der Bezeichnung „Kriminalroman“ hatte ich mich zwar schon darauf eingestimmt, dass keine wirkliche Thriller-Stimmung aufkommen wird, doch das Ganze war dann doch nochmal wesentlich melancholischer als ich gedacht hatte, obwohl es bei der Thematik nicht abwegig ist.
Das soll nicht heißen, dass keine Spannung aufgekommen wäre – denn dieser Teil kommt durchaus: Daniel ist nicht nur ein ziemlich zurückgezogener Typ, sondern neigt auch zu manischem und sehr obsessivem Verhalten. Abgeschottet von der Gemeinschaft sieht er nur die Fertigstellung der Renovierung, zum Leidwesen von Sonja, die durchaus gerne Anklang finden würde. Doch die Kombination aus der Beziehung und die Sprachbarriere gestalten das Ganze nicht unbedingt leichter.

Als die beiden dann die Leiche eines Jungen aus der NS Zeit in ihrem Keller finden, deckt sich nicht nur für Leser*innen ein düsteres historisches Kapitel auf, auch Sonja kann mit diesem Fund nicht abschließen. Nicht zuletzt auch, weil die Polizei wenig Interesse für den Fall aufbringt. Kaum findet sie Anklang und lernt Anna kennen, wird auf einmal die Leiche der jungen Anwältin gefunden und ausgerechnet Daniel steht als Verdächtiger im Raum. Doch trotz so manch spannender Faktoren liest sich der Roman sehr niederschmetternd, gewiss der Thematik gerecht, doch durch die schwierigen Charaktere und dem teils eher flachen Spannungsbogen ist die Story nicht unbedingt ein Pageturner. Aber definitiv eine Empfehlung für jene, die Interesse an der geschichtlichen Seite haben.

Tove Alsterdal nimmt sich hier eine sehr düstere geschichtliche Facette an, die so manches an Aufklärung mit sich bringt, aber die gesamte Story auch sehr melancholisch wirken lässt. Wer Interesse an der Annexion des Sudetenlandes hat, sollte hier definitiv mal einen Blick reinwerfen, wer eher auf der Suche nach einem spannungsgeladenem Pageturner ist, könnte ein wenig enttäuscht werden.

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