Rezension: Der Koffer / Robin Roe
„Ich…“ Für alle anderen scheint Sprechen das Natürlichste von der Welt zu sein. Wenn jemand etwas zu ihnen sagt, wissen sie sofort, was sie antworten sollen. Bei mir muss irgendeine Verbindung zwischen dem Gehirn und dem Mund kaputt sein.
Verlag: Carlsen
Erscheinungsdatum: 24.03.2017
Seitenzahl: 416
Altersempfehlung: ab 16
»Wie viele Sterne?«, hat Julians Vater immer gefragt, wenn er ihn abends ins Bett brachte. Zehntausend-Sterne-Tage waren die besten überhaupt. Doch Julians Eltern sind tot. Seit er bei seinem Onkel wohnt, ist ihm ist nichts geblieben als Geheimnisse und ein Koffer voller Erinnerungen. Als Julian seinem Pflegebruder Adam wiederbegegnet, ist er zunächst voller Glück. Adam, der so nett ist und so tollpatschig und trotzdem zu den Coolen gehört. Doch es ist schwierig Vertrauen zu fassen. Und je mehr Vertrauen Julian fasst, desto mehr kommt Adam hinter seine Geheimnisse. Das bringt sie beide in große Gefahr.
Dass ich eigentlich an der Carlsen-Lesechallenge teilnehme erscheint mir schon fast wie ein Witz. Viel zu lange ist es her, dass ich nach einem Buch aus dem Verlag gegriffen habe! Dabei schlummern noch ein paar Schätze aus dem Hause Königskinder auf meinem SuB. Daher hatte ich mir für meinen „WTR Juli“ dieses Buch vorgenommen.
Am Abend das Buch begonnen und dann…dann konnte ich es einfach nicht mehr aus der Hand legen.
Verrückt, auf wie viele verschiedene Arten man Menschen vermissen kann. Man vermisst all die Dinge, die diese Menschen getan haben. Man vermisst die Menschen an sich. Und man Vermisst die Bedeutung, die man selbst für diese Menschen gehabt hat.
Mir war schon durchaus bewusst, dass es sich hierbei nicht um keine leichte Sommerlektüre oder dergleichen handelt, doch was mich erwartet hat, habe ich nicht geahnt.
Gleich zu Beginn bin ich in eine sehr bedrückende Stimmung beim Lesen gekommen. Das große Ganze konnte man zwar noch nicht greifen, aber worauf das alles hinauslaufen sollte, konnte einfach nichts Gutes sein.
Die Geschichte wird aus zwei verschiedenen Perspektiven erzähl.
Julian, ein Junge, der wie man schon am Anfang merkt, mehr durchgemacht hat, als ein kleiner Mensch aushalten sollte. Gefangen in seiner ganz eigenen Welt merkt man schnell die Unterschiede in seinem Verhalten, die ihn so besonders, anders machen. Von kindlicher Naivität brauch man hier nicht zu sprechen, es ist eher etwas, das kaputt gegangen und wohl nie wieder zu reparieren ist.
Adam stellt das genaue Gegenteil dar. Aufgeschlossen, impulsiv, anerkannt. Und mit einer Herzensgüte ausgestattet, wie ich sie noch nicht erlebt habe. Ein so einzigartiger Charakter, von dem man sich wünscht, dass es ganz viele auf der Welt geben würde, damit jeder Julian eine Chance bekommt.
„Meine Oma sagt immer, wer so lächelt, hat eine große Seele. Sie sagt auch, manche Menschen haben eine so große Seele, dass sie sich ausdehnt und andere Menschen berührt.“
Die Altersempfehlung ist meiner Meinung nach zurecht etwas weiter Oben angesetzt. Ich muss zwar gestehen, dass ich immer relativ schnell beim Lesen weine, aber nicht so wie hier.
Das Geschehene hat mich so sehr mitgenommen, dass nicht nur ein paar Tränen gekullert sind, sondern ich wirklich über eine Stunde richtig dolle weinen (ich würde es schon eher als lautes Aufheulen bezeichnen) musste.
Einfach nur richtig schlimmer Herzschmerz. Der Autor hat es geschafft, mir das Gefühl zu vermitteln, als wenn ich das Alles mit hätte ansehen müssen. Oftmals werden schlimme Ereignisse eher aus der Vergangenheit geschildert, hier muss man sie mit den Protagonisten zusammen erleben.
Wer also eher zart besaitet ist, gerade was das Schicksal von Kindern angeht, sollte es sich vielleicht noch einmal durch den Kopf gehen lassen, ob er diesen Inhalt verarbeiten kann.
Trotz oder vielleicht auch gerade wegen der schweren Thematik, ist es in meinen Augen eine unglaublich starke und wichtige Geschichte. So viel Tiefgang hätte ich gar nicht erwartet und vor allem nicht so viel Leid.
Die Königskinder beweisen auch hiermit mal wieder, was für unglaubliche Geschichten noch auf einen warten können. Eine klare Leseempfehlung, auch wenn man sich auf das Leid und eine schwierige Thematik auf jeden Fall einstellen sollte.
LESEPROBE? KAUFEN!
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