Rezension | Erhebung von Stephen King

Rezension | Erhebung von Stephen King

Titel: Erhebung  |  Originaltitel: Elevation  |  Autor: Stephen King  |  Übersetzer: Bernhard Kleinschmidt  |  Verlag: Heyne  |  Erscheinungsdatum: 12.11.2018  |  Seitenzahl: 144

Scott nimmt rasend schnell ab. Sein korpulentes Aussehen ändert sich trotzdem nicht. Und noch unheimlicher: Wenn er auf die Waage steigt, zeigt sie jeweils das gleiche Gewicht an, egal wie viel er momentan trägt, ob Kleidung oder gar Hanteln. Scott hat Angst, dass man ihn zum medizinischen Versuchskaninchen macht. Aber er muss es jemand erzählen. Zu Dr. Ellis hat er Vertrauen, aber auch der weiß keinen Rat.

In seiner netten Wohngegend in der Kleinstadt Castle Rock gerät Scott in einen eskalierenden Kleinkrieg. Der Hund der neuen Nachbarn – zwei Lesben – verrichtet sein Geschäft ständig bei ihm im Vorgarten. Die eine Frau ist eigentlich recht freundlich, die andere aber eiskalt. Die beiden haben gerade ein Restaurant eröffnet, von dem sie sich viel erhoffen. Die Einwohner von Castle Rock wollen aber nichts mit Homopaaren zu tun haben, da ist großer Ärger vorprogrammiert. Als Scott endlich kapiert, was Vorurteile in einer Gemeinschaft anrichten, überwindet er den eigenen Groll und tut sich mit den beiden zusammen. Merkwürdige Allianzen, der jährliche Stadtlauf und Scotts mysteriöses Leiden fördern bei sich und anderen eine Menschlichkeit zutage, die zuvor unter einer herzlosen Bequemlichkeit vergraben lag.

Vielen Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars!

Ich bin ein großer Fan von Herrn King und freue mich über jede Neuerscheinung. Nachdem mich Gwendys Wunschkasten letztes Jahr schon trotz seiner Kürze begeistern konnte, war ich auch auf diese Kurzgeschichte wieder sehr gespannt.

Ein King mit Herz

Die Bücher vom King of Horror sind ja für einiges bekannt, nur meistens nicht für ihre Feinfühlig- oder Herzlichkeit. Der Großteil seiner Bücher konnte mir nicht einmal Charaktere liefern, die wirklich als Sympathieträger durchgehen, weil bei jedem auch die Schwächen beleuchtet werden. Mit der Bill Hodges Reihe hatte sich das für mich geändert und dennoch war ich von diesem Werk hier ganz besonders überrascht. Natürlich sind auch die Bewohner von Castle Rock nicht alles gute Menschen, dennoch ergreift hier eine Feinfühligkeit und so viel Wärme die Überhand, dass ich ein wenig überrascht war.

So ist diese Geschichte für mich zwar eher ein wenig untypisch für den Autor, aber dennoch sehr empfehlens- und lohnenswert. Trotz der wenigen Seiten, wird hier eine greifbare Handlung aufgebaut, die durchaus einiges zu bieten hat…

Die unglaubliche Leichtigkeit des Seins

Stephen King greift häufig und gerne Probleme unserer Gesellschaft auf, ob es sich hierbei nun um Sexismus, Homophobie oder Rassismus handelt. Häufig werden diesbezüglich aber nur Spitzen mit eingestreut, die unser Verhalten aufgreifen und selten beschönigen.
Selten habe ich erlebt, dass der Fokus so stark auf diese Richtung gelegt wurde und muss sagen, dass mir das ungemein gut gefallen hat.
Auch Castle Rock ist nicht von Vorurteilen befreit und so stellt sich die Gemeinschaft doch fast einstimmig gegen die beiden neuen Bewohnerinnen, die offen in einer homosexuellen Beziehung leben. Die Probleme, die hier angesprochen werden, sind alles andere als überspitzt und gehören leider noch lange nicht der Vergessenheit an. Aber natürlich ist jeder Mensch einfach nur ein Mensch und so kann es Unstimmigkeiten von vielen Seiten aus geben – das Zusammenspiel, dass Stephen King hier erschaffen hat, konnte mich wirklich einnehmen.

Was das alles mit der Veränderung von Scott zu tun hat? Hier ist dem Leser viel Raum gegeben, um seine eigenen Schlüsse zu ziehen und sich die Geschichte zu Herzen zu nehmen. Dass die Werke des Autors zum Nachdenken anregen, ist kein Geheimnis, doch mit Erhebung hat er in meinen Augen einen neuen Punk für sich erreicht.
Da die Story aber teils sehr abstrakt gestaltet ist, kann ich auch nachvollziehen, dass sie einigen zu oberflächlich rüberkommt – hier muss man den Stil einfach mögen.

Stephen King hat mit Erhebung für seine Verhältnisse eine neue Art von Geschichte erschaffen, die sich auf jeden Fall sehen lassen kann. Mit einer wortwörtlichen Leichtigkeit und ungewohnt viel Herz wird hier ein Thema aufgegriffen, dass leider immer noch nicht zur Vergangenheit zählt und zum Nachdenken anregt.

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5 comments found

  1. Aloha, Jill.
    Ironisch könnte man/frau anmerken, dass Stephen King hier eine „Kurzgeschichte“ verfasst haben muss.
    Dass hierbei kein querdimensionaler Waldgeist für böses Blut sorgt, sondern Alltagsmenschen in ihren Vorurteilen, bringt die Sache zudem auf den Punkt.
    Ein Glück nur, dass die beiden Nachbarinnen lediglich einen Hund haben – ansonsten eine hiesige Ministerin vielleicht wieder „besorgt wissenschaftliche Studien“ einfordern könnte…
    Das Buch, vielleicht eine Idee für unter Ihren Weihnachtsbaum.

    bonté

  2. Liebe Jill!
    Wie schön, dass dir diese kurze Geschichte von King ebenso gut gefallen hat! Ich werde sie auch lange im Gedächtnis behalten, irgendwie hat sie so einen ganz eigenen Klang bekommen. Schön, dass er eben auch immer wieder anders kann und uns Leser überrascht!

    Liebste Grüße!
    Gabriela

    1. Liebe Gabriela,

      du sagst es – es war wirklich mal etwas anderes. Und so sehr ich seine typischen Werke auch liebe, habe ich ebenso gefallen an dieser Geschichte gefunden 🙂

      Liebste Grüße, Jill

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