Rezension | Leichenwald von Edward Lee

Rezension | Leichenwald von Edward Lee

Titel: Leichenwald | Originaltitel: The Blackwoods | Autor*in: Edward Lee | Übersetzer*in: Simona Turini | Verlag: Festa | Erscheinungsdatum: 29.06.2021 | Seitenzahl: 400

Eine Prostituierte, die fast zu Tode gewürgt und dann lebendig verscharrt wird. Kinder, die im Wald spielen – und nie wieder zurückkehren. Frauen, die vergewaltigt und ermordet werden. Männer, die man einfach so abschlachtet. Und überall ausgebuddelte Leichenteile … Willkommen zuhause, Patricia.

Als Patricia White in ihre verhasste Heimatstadt zurückkehrt, erwartet sie dort keine idyllische Landschaft zwischen Wäldern und Meer. Der beschauliche Ort wird von einer Serie bizarrer Morde heimgesucht, völlig wahllos und so grauenhaft, dass panische Angst um sich greift. Wurde die Stadt wirklich vom Bösen verseucht, namenlos und älter als die Sünde selbst?

Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Obwohl ich weiß, dass die meisten Festa Bücher nicht ohne sind und mir gerade die Mischung aus Grusel und Sex nicht immer zusagt, wollte ich mich einfach nochmal daran probieren!

Nichts für schwache Nerven

Gleich der Einstieg verdeutlicht, wie es in dieser Geschichte zugeht und dass man dem wirklich gewachsen sein muss. Für mich war es zwar das erste Buch von Edward Lee, da ich aber schon geahnt habe, worauf ich mich hier einlasse, hat es mich weniger überrascht, wenn an so einigen Stellen dennoch geekelt. Agan’s Point scheint ein Sammelbecken für all das Böse und all die Perversität, die man sich nur vorstellen kann – in menschlicher Gestalt. So ist es wohl nicht allzu verwunderlich, wenn auch Patricia ihrer Heimat den Rücken gekehrt hat und eigentlich nie zurückkehren wollte – aber manchmal kommt es eben doch anders als gedacht. Denn nach dem ihr Schwager auf ziemlich „spektakuläre“ Art und Weise ermordet wurde, tritt sie doch den Weg an, um ihre Schwester zu unterstützen. Auch, wenn dabei ihr altes Trauma wieder aufbricht…

Von Obszönitäten, Vergewaltigungen, dem guten alten klassischen Sexismus über bestialische Morde ist hier wohl alles vertreten und Edward Lee scheint sich einmal ordentlich ausgelebt zu haben. Die Charaktergestaltung liegt da weniger im Fokus, scheint für die Story an sich aber auch nicht wirklich nötig zu sein. Der letzte Punkt ist nicht einmal negativ gemeint, der Fokus liegt hier einfach an einer ganz anderen Stelle und die größtenteils sehr oberflächlichen und negativen Klischee-Darstellungen sollen wohl auch genauso rüberkommen. Wenn man sich davon nicht allzu sehr abschrecken lässt, erkennt man aber immerhin den ziemlich leichten und flüssigen Schreibstil des Autors, aber wie schon gesagt – viel deepen Shit gibt es hier auch nicht. Auch die Handlung selbst ist daher nicht ganz so der herausragende Plottwist, sondern eher Unterhaltung zwischen Ekel und Schockmoment. Naja, wenn wir ehrlich sind, Erotik nimmt auch viel Platz ein.

Zwischen Rednecks und Leichen

Patricias Flucht von ihrem ehemaligen Zuhause hat zwar einen anderen Ursprung, doch ich wüsste auch nicht, was einen Menschen an einem Ort wie Agan’s Point halten sollte/könnte. Die Gesellschaft scheint dort noch mehr irgendwo im letzten Jahrhundert hängen geblieben zu sein und zwischen Rednecks finden sich noch die armen Arbeiter:innen der Krebsfabriken wieder, die jeglicher Diskriminierung ausgesetzt sind. Auch von der Polizei braucht man hier nicht viel zu erwarten, allerdings sind generell alle Charaktere so ziemlich auf ihre Triebe reduziert. Ich wollte gerade eigentlich sagen, dass immerhin die Leichen für Abwechslung sorgen, aber halt – auch hier spielt Sex eine große Rolle. (Ich habe ja gesagt, dass das Buch nichts für schwache Nerven ist.)

Hingegen meiner ganzen Negativität fand ich das Buch aber dennoch nicht schlecht, es war einfach mal außerhalb meiner Komfortzone. Nichts, was ich öfter brauche, aber einfach nochmal antesten wollte. Ich kann durchaus nachvollziehen, worin hier der Reiz für viele Leser:innen steckt, es ist nur nicht so ganz meins. Wäre wenigstens Patricia selbst ein wenig anders dargestellt worden, wäre ich wahrscheinlich auch noch besser zurecht gekommen. So wusste ich aber gar nicht, ob sich der Ekel mehr in mir hervor kämpft oder ich öfter mit den Augen rollen musste. Denn die Gewaltdarstellungen und erotischen Szenen waren wesentlich präsenter als die Handlung selbst, das macht wohl auch diesen Bereich des Genres nicht gänzlich aus, wie ich bei anderen Leser:innen herausgehört habe. Tatsächlich hat es mir somit ein wenig an Spannung gefehlt, an einer richtigen Handlung, die man voller Interesse mitverfolgt. Dennoch war es kein Flop und ich kann mir gut vorstellen, dass auch diese Geschichte bei manchen auf volle Begeisterung trifft.

Leichenwald von Edward Lee war für mich mal ein kleiner Ausflug in ein etwas spezielleres Gebiet des Genres, den ich zwar keinesfalls bereut habe, aber dennoch in manchen Punkten auch sehr skeptisch betrachte. Der Autor spielt viel mit Gewalt und Perversität und verliert dadurch ein wenig die eigentliche Handlung aus den Augen, auch die Charaktere sind sehr oberflächlich und voller negativer Klischees – was hier aber tatsächlich gar nicht so schlecht reinpasst. Für mich waren es durchaus interessante Lesestunden, aber so schnell habe ich keinen Wiederholungsbedarf.

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