Rezension | Wenn ich dich hole von Anja Goerz

Rezension | Wenn ich dich hole von Anja Goerz

Titel: Wenn ich dich hole | Autor: Anja Goerz | Verlag: dtv | Erscheinungsdatum: 23.10.2020 | Seitenzahl: 256

»Mein Sohn ist da drin! Holen Sie ihn raus!«

Bendix Steensen sitzt fest: Wegen einer Unwetterwarnung sind in Heathrow sämtliche Flüge gestrichen. Die Anrufe seines neunjährigen Sohnes Lewe aus ihrem Haus in Niebüll werden unterdessen immer panischer. Seit Stunden sind seine Mutter und die Oma fort und unerreichbar, der Schneesturm da draußen macht ihm Angst – und plötzlich glaubt er, in dem abgelegenen Haus nicht mehr allein zu sein. Bendix alarmiert die örtliche Polizei, bezweifelt aber, dort mit seinen Befürchtungen ernst genommen zu werden. Und Lewe ist tatsächlich nicht mehr allein …

Vielen Dank an den Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars!

Meine Thriller-Liebe hält sich nach wie vor und so habe ich mich auch sehr auf dieses Buch gefreut. Kurz, knackig und vom Klappentext her super spannend!

Plattdeutsch – Wie bitte?

Das Setting in Wenn ich dich hole spielt mehr oder weniger in Friesland, auch wenn es hier eigentlich zwei Perspektiven gibt. So befindet sich Familienvater Bendix Steensen zu Beginn der Geschichte in London und möchte sich eigentlich auf den Weg zu Frau und Kind machen, die gerade seine Mutter in Friesland besuchen.
Über all dem Geschehen steht scheinbar ein ziemlich flächendeckendes Unwetter der kalten Jahreszeit, das die ganze Familie einholt.

Genau das sorgt dafür, dass Bendix nicht so einfach zu seiner Familie kann, aber auch der Kontakt teilweise abbricht, bzw. erschwert wird. Zeitgleich sind seine Frau und seine Mutter auf dem Weg zum Einkaufen und wollten danach noch einen Kaffee trinken und der 9-jährige Sohn befindet sich alleine mit Hund im Haus der Oma und wartet auf die Rückkehr der beiden Frauen. Doch auch da kommt was dazwischen und irgendwie stehen auf einmal alle ziemlich einsam da, können die jeweils anderen nicht bis schwer erreichen und eine neue Person (Überraschung – die Böse) kommt mit ins Spiel. (Dazu aber gleich noch mehr)

So ein bisschen Plattdeutsch kann natürlich authentisch wirken und für manche auch ganz unterhaltsam sein. Es wird hier auch nicht übermäßig genutzt, aber eben hier und da mal ein Satz und Spoiler: ich kann es nicht.
Das waren jetzt sicherlich auch keine Schlüsselszenen, dennoch hat es mich jedes Mal ein bisschen aus der Bahn geworfen, weil ich mich so sehr an den Worten aufgehangen hab – ich konnte teilweise nichts damit anfangen und es hat mich immer wieder aus der Story geworfen.

Allerdings war das durchaus das kleinste Problem in der Geschichte, denn viel eher hatte ich ein Problem das Verhalten und die Handlung der meisten Charaktere nachvollziehen zu können.
Bendix wendet sich in seiner Not nämlich an den örtlichen Polizisten, der ausgerechnet dann seinen freien Tag hat. Und dieser reagiert wie eigentlich alle Außenstehende: Null Verständnis.
Wo ist das Problem, dass Frau und Mutter verschwunden sind? Die haben sich verquatscht oder vielleicht will seine Frau ihn auch verlassen (kennt ja jeder, die typische Story, in der die Frau ihren Mann verlässt, den Sohn komplett allein irgendwo in der Pampa lässt und dafür die Schwiegermutter mit nimmt.)
Argh! Niemand hat diese Situation wirklich ernst genommen, nicht einmal, als auf einmal eine fremde Person auftaucht und wirklich dumme Spekulationen stattdessen angestellt – ich habe mich wirklich selten so maßlos über ein Buch geärgert.

Spannungskiller

Jetzt ist die Grundidee von Anja Goerz wirklich cool gewesen und mit einer anderen Umsetzung und vor allem einer anderen Charaktergestaltung hätte ich definitiv auch spannende Lesestunden haben können, so hat mich aber eher meine innere Wut dazu angetrieben, das Buch zu beenden. Nicht zuletzt, weil die Geschichte auch nicht allzu lang ist und ich nun natürlich auch wissen wollte, wie das Ganze ausgeht.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass sich andere Leser an meinen Kritikpunkten nicht so aufhängen und mehr Spaß an der Atmosphäre haben. Für mich war es irgendwann schon fast eine Qual. Lediglich der arme Lewe hat mir wirklich das Herz gebrochen und ich wäre am liebsten eingesprungen. Hinter dem Ganzen steckt natürlich ein Geheimnis aus der Vergangenheit – genau diese Anspielung bringt die Autorin aber auch gleich zu Beginn, wodurch es schon mehr oder weniger klar ist, was der weitere Verlauf mit sich bringt.
Dann spielen natürlich noch Faktoren mit rein, wie das Unwetter, Ausfall vom Telefonnetz, ausgefallene Flüge und ein schwerer Fahrtweg. Doch gerade wenn man all das bedenkt, war mir das Ende einfach zu schnell, zu plump, zu einfach.

Ich hoffe wirklich sehr, dass andere Leser ihren Spaß mit der Geschichte haben, denn vom Grund auf erkenne ich durchaus das Potenzial. Nur hat hier einfach alles reingespielt, was mir persönlich so gar nicht gefällt.

Wenn ich dich hole von Anja Goerz war leider eine persönliche Enttäuschung, nicht, weil die Idee schlecht gewesen wäre. Sondern, weil hier genau all die Kritikpunkte aufgekommen sind, die mir einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Unsympathische Charaktere, vorhersehbare Handlung und leider zu wenig Spannung & Atmosphäre.
Ich war wirklich froh, als ich das Buch endlich beendet habe, ab einem gewissen Punkt hätte sich die Geschichte bei mir aber wahrscheinlich auch nicht mehr retten können, weil ich mich zu sehr an gewissen Aspekten aufgehangen habe.

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