Rezension: Vertrauen und Verrat / Erin Beaty
„Ich will deine Wahrheit nicht. Ich hasse sie.“
Ihre Stimme klang auch in ihren Ohren wie tot. „Ich hasse dich.“
Titel: Vertrauen und Verrat | Originaltitel: The Traitor’s Kiss | Reihe: Kampf um Demora | Autor: Erin Beaty | Übersetzer: Birgit Schmitz | Verlag: Carlsen | Erscheinungsdatum: 21.03.2018 | Seitenzahl: 496 | Altersempfehlung: ab 14
Mit einem Mann verheiratet zu werden, den sie noch nie getroffen hat: für Sage der absolute Albtraum, doch Tradition im Reich Demora. Um dem zu entgehen, beginnt Sage eine Lehre bei einer Kupplerin und begleitet zehn junge Damen aus adeligen Familien zum großen Verkupplungsball. Ihre Aufgabe ist es, die Bräute – und die Soldaten, die auf der Reise für ihre Sicherheit sorgen – zu bespitzeln. Denn im Reich braut sich ein Krieg zusammen. Schon bald findet Sage sich zwischen den Fronten wieder. Und sie, die nie heiraten wollte, stolpert geradewegs auf eine große Liebe zu. Doch wem kann sie wirklich trauen?
Gemeinsam mit anderen Bloggerinnen haben ich eine kleine Challenge zur Erscheinung von Vertrauen und Verrat ine Leben gerufen, wodurch die Vorfreude auf den Titel schon ordentlich geschürt wurde. Als das Buch dann auch endlich bei mir angekommen ist, konnte ich mit dem lesen auch nicht mehr all zu lange warten und war mächtig gespannt, ob die Geschichte meinen Erwartungen gerecht werden konnte.
Wahrscheinlich gerade wegen der hohen Erwartungen war der Anfang doch eher ernüchternd für mich. Der Schreibstil und die Einführung in die Story haben mir wirklich gut gefallen, aber der Spannungsfaktor ist ausgeblieben. Demora bietet ein historisches und einladendes Setting, das vor allem in der Hinsicht der Stellung der Frau sehr interessant ist.
Sage bietet einen herrlichen Kontrast mit ihrer mutigen und selbstsicheren Art und hat mich des Öfteren zum Schmunzeln gebracht. Liebhaber von Judy aus Lieber Daddy Long Legs werden hier sicher auf ihre Kosten kommen. Nur leider hat mir einfach das gewisse etwas gefehlt. Ich muss aber auch generell gestehen, dass ich aktuell eher meinen Hang zu Fantasy-Geschichten auslebe.
Sage ist wirklich eine Protagonist, wie ich sie mir nur wünschen kann. Im Verlauf der Geschichte schafft sie es sogar noch über sich selbst hinauszuwachsen und mein Herz im Sturm zu erobern. So bietet sie nicht nur in ihrer Position, an der Seite der berüchtigten Kupplerin, einen abwechslungsreichen Kontrast, sondern schafft es auch jeden Tag aufs Neue die Soldaten dazu zu bringen, ihr Frauenbild zu überdenken.
Doch der Titel ist hier definitiv zu Recht gewählt, denn es geht nicht nur darum, zu lernen Vertrauen aufzubauen, sondern eben auch, an welcher Stelle man sich selbst schützen muss. Sage hat es zwar eine bemerkenswerte Beobachtungsgabe, doch wie weit reicht diese, wenn es jemand darauf anlegt, sie zu täuschen?
„Was sagt sie denn sonst noch so?“
Clare zog die Füße unter ihr Nachthemd. „Sie sagt, dass ich mich erniedrige, wenn ich mich mit dir abgebe.“
Sage grinste. „Und? Wie gefällt es dir hier unten im Dreck bei dem einfachen Volk?“
Ihre Freundin erwiderte ihr Lächeln. „Sehr gut.“
So hat sich Sage eigentlich dafür entschieden lediglich für die anderen jungen Frauen einen Zukünftigen zu finden, für sich selbst stellt sie sich aber ein unabhängigeres Leben vor.
Doch wie der Zufall es will, trifft man genau dann den einen Menschen, wenn man es am wenigsten erwartet und vielleicht auch will. Zu erkennen, dass sie jemand genauso zu schätzen weiß, wie sie wirklich ist, eröffnet ihr neue Möglichkeiten und bietet ihr die Chance sich vollkommen zu entfalten und ihr Leben noch mehr als zu vor schon selbst in die Hand zu nehmen.
„Warum haben sie nie geheiratet, Darnessa?“
„Mir geht’s wie dir“, antwortete Darnessa mit einem verschwörerischen Augenzwinkern. „Meine Ansprüche sind zu hoch.“
Und auch die Gruppe der Soldaten hat es mir angetan, die verschiedenen Charaktere könnten unterschiedlicher nicht gestaltet sein. Aus dem anfänglichen Unwillen dieser Arbeit gegenüber, entwickelt sich doch immer mehr eine sich ausbreitende Spannung, da Demora mehr in Gefahr zu sein scheint, als ursprünglich erwartet.
So spitzt sich die gesamte Stimmung der Geschichte zu, und auch, wenn ich relativ schnell gemerkt habe, dass es etwas faul zu sein scheint, so bin ich einfach nicht dahinter gekommen. Hinter jedem vermutet man eine Bedrohung und kann sich selbst kaum noch trauen und wartet geradezu auf die Gefahr, die hinter jeder Ecke lauern könnte.
Der intelligente und ausgeglichene Schreibstil hat genau meinen Geschmack getroffen und spiegelt perfekt den Charakter der Protagonistin wider.
So konnte mich die Geschichte zwar vorher schon gut unterhalten, ab dem zweiten Drittel dann aber ca auch komplett fesseln, so dass ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen wollte. Ich habe mit Sage gelitten und mitgefiebert, die verschiedenen Fronten beobachtet und jedes mal gehofft, dass sich das Ende nicht ganz so furchtbar gestalten wird wie befürchtet.
Es ist einfach ein grandioser Aufbau, der ein wenig Zeit benötigt, um sich in all seinen Facetten entfalten zu können und um Wirkung zu zeigen.
Nicht nur die präsenteren Charaktere konnten mich begeistern, sondern auch viele Nebenspieler, die die Geschichte noch umso mehr abgerundet haben. Es ist eine Geschichte, bei der man ein Auge für das Detail haben muss.
Der Spannungsaufbau ist vielleicht nicht für jeden etwas, aber ich könnte mir gut vorstellen, dass Fans von der Reihe Die Chroniken der Verbliebenden hier auf ihre Kosten kommen werde.
Trotz dessen, dass mir der Einstieg von Vertrauen und Verrat doch ein wenig ernüchternd erschien, so hat sich die Geschichte doch immer mehr aufgebaut und konnte mich zum Schluss hin wirklich überwältigen. Mit einem intelligenten und unterhaltsamen Schreibstil, wie auch einer Protagonistin, die zu derselben Beschreibung passt hat Erin Beaty genau meinen Geschmack getroffen. Ein Auftakt, den ich auf jeden Fall nur empfehlen kann.
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